Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
Gewissensbisse gehabt hätte, sondern unter dem Eindruck der gewaltigen Herausforderung. Die Unternehmung lief bereits seit über zehn Jahren, doch in den nächsten Tagen würde der Punkt überschritten sein, da es keinen Weg zurück mehr gäbe. Die Welt würde sich wandeln, und sie spielte dabei eine herausragende Rolle.
Allerdings war sie nicht allein.
Das Handy, das sie in der Tasche umklammerte, vibrierte plötzlich. Sie holte tief Luft und ließ eine weiße Atemwolke entweichen. Heute hatte sie versagt. Wie würde ihre Strafe aussehen? Sie ließ den Blick über die dunkle Parklandschaft schweifen. War man bereits hinter ihr her? Der Tod barg für sie keinen Schrecken. Sie fürchtete vielmehr, ausgerechnet in diesem entscheidenden Moment aus dem Spiel genommen zu werden. Vor lauter Übereifer hatte sie überstürzt gehandelt. Sie hätte sich mit ihren Vorgesetzten absprechen sollen, anstatt den Sigma-Vertreter auf eigene Faust ausschalten zu wollen.
Sie nahm das Handy aus der Tasche und schob es unter die Kapuze.
»Ja?«, sagte sie.
Da sie im Park allein war, brauchte sie sich keine Sorge um heimliche Lauscher zu machen. Außerdem war die Satellitenverbindung verschlüsselt. Sie wappnete sich für das Gespräch.
Auf die Stimme, die sie vernahm, war sie trotzdem nicht vorbereitet. Auf einmal wurde ihr so kalt, als stünde sie splitternackt im verschneiten Park.
»Er lebt«, sagte der Anrufer mit ausdrucksloser Stimme. »Sie hätten es besser wissen müssen.«
Krista stockte der Atem; sie bekam kein Wort heraus. Diese Stimme hatte sie erst ein mal im Leben vernommen. Das war nach ihrer Anwerbung und dem brutalen Initiationsritual gewesen, als sie eine ganze Familie einschließlich eines Neugeborenen
hatte töten müssen. Der venezolanische Politiker hatte sich für die Überprüfung eines französischen Pharmaunternehmens ausgesprochen, was unbedingt verhindert werden musste. Ein Leibwächter hatte sie damals ins Bein geschossen, doch sie war entkommen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nicht einmal einen Blutstropfen hatte sie am Tatort verloren.
Während ihrer Genesung hatte ein Mann sie angerufen und ihr gratuliert.
Jetzt war er wieder in der Leitung.
Man sagte, er sei einer der Anführer der Gilde, die sich hinter der Bezeichnung »Echelon« verbargen.
Endlich fand sie die Stimme wieder. »Sir, ich übernehme die volle Verantwortung für die gescheiterte Aktion.«
»Ich nehme an, Sie haben aus Ihrem Fehler gelernt.« Der Tonfall blieb ausdruckslos. Sie konnte nicht erkennen, ob der Anrufer zornig war.
»Jawohl, Sir.«
»Von jetzt an überlassen Sie die Angelegenheit uns. Es wurden bereits die nötigen Schritte eingeleitet. Allerdings ist eine neue Bedrohung aufgetaucht, aktueller als herumschnüffelnde Sigma-Agenten. Das Problem sollten Sie vor Ort lösen können. «
»Sir?«
»Jemand hat erfahren, dass es eine Überlebende des Massakers in Mali gibt. Die Person will sich heute Nacht mit Senator Gorman treffen.«
Krista krampfte die Finger ums Handy. Wie war das möglich ? Sie war doch so vorsichtig gewesen. Im Geiste ließ sie die letzten Tage Revue passieren. Sie hatte sich die ganze Zeit über versteckt gehalten. Ihre Bestürzung verwandelte sich in Zorn.
»Zu dieser Begegnung darf es nicht kommen«, sagte der Anrufer und erklärte ihr, wann und wo das Treffen stattfinden sollte.
»Und der Senator?«
»Ist entbehrlich. Sollte es Ihnen nicht gelingen, den Informanten rechtzeitig auszuschalten, eliminieren Sie ihn. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen.«
Das war unmissverständlich.
»Ist bezüglich der Operation in England alles vorbereitet?«, fuhr der Mann fort.
»Jawohl, Sir.«
»Sie wissen, wie wichtig es ist, dass wir den Schlüssel zum ›Doomsday Book‹ finden.«
Das war ihr bekannt. Sie schaute zu den Figuren des Monolithen empor. Der Schlüssel würde sie entweder retten – oder vernichten.
»Vertrauen Sie Ihrer Kontaktperson?«
»Natürlich nicht. Vertrauen ist auch gar nicht nötig. Es geht um Macht und Kontrolle.«
Belustigung schwang in der Stimme des Anrufers mit. »Sie haben dazugelernt.« Die Verbindung wurde unterbrochen. Der letzte geheimnisvolle Satz des Unbekannten lautete: »Echelon hat Sie im Blick.«
Krista blieb vor dem Monolithen stehen. Das Handy am Ohr, erschauerte sie erneut – vor Erleichterung, vor Angst, doch vor allem, weil eines gewiss war.
Sie durfte nicht versagen.
14
12. Oktober, 16:16 Lake District, England
GRAY BEÄUGTE MISSTRAUISCH
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