Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
für die Kräutermischung stammt von mir.«
Rachel bedankte sich, trank den Becher leer und gab ihn Seichan zurück.
Kowalski, der vor ihnen ritt, saß zusammengesunken im Sattel,
als ob er schliefe; er verließ sich darauf, dass sein Pony Wallace’ Wallach hinterhertrotten würde.
Sie ritten durch eine lichte Ansammlung von Erlen und Eichen, über weichen Farn inmitten von schneebedeckten Grasflächen, die von eiskalten Rinnsalen durchzogen waren. Gray war froh, dass er nicht zu Fuß laufen musste. Rufus hingegen schien das nichts auszumachen; an den feuchteren Stellen sprang er von Erhebung zu Erhebung. Als die Sonne untergegangen war, wurde es rasch kälter.
»Wie weit ist es noch, was meinst du?«, fragte Rachel halblaut. Der Wirkung der lastenden Stille vermochte sie sich nicht zu entziehen.
Gray schüttelte den Kopf. Wallace hatte gemeint, die Ausgrabungsstätte liege ›weit oben in der Wildnis der Fells‹; genauer hatte er sich nicht ausgedrückt. Über den Rückweg machte Gray sich jedoch keine Sorgen. In der Tasche hatte er ein GPS-Gerät, das die Wegkoordinaten speicherte und eine digitale Fährte hinterließ, der sie auf dem Rückweg mühelos würden folgen können.
Rachel mummte sich fester in ihre dicke Jacke. Weiße Atemwolken bildeten sich vor ihrem Gesicht. »Vielleicht hätten wir besser bis zum Morgen warten sollen.«
»Nein«, sagte Seichan mit hohler Stimme. »Wenn hier draußen Antworten zu finden sind, dürfen wir keine Zeit verlieren.«
Gray war auch dieser Meinung, doch im Moment hätte er gegen ein loderndes Kaminfeuer nichts einzuwenden gehabt. Ihm fiel auf, dass Seichan angespannt wirkte. Sie blickte starr geradeaus.
Gray ließ sich ein Stück zurückfallen und musterte die beiden Frauen. Sie hätten gegensätzlicher kaum sein können. Rachel saß locker im Sattel, ging mit den Bewegungen ihres Ponys mit und passte sich der ungewohnten Umgebung zusehends an. Seichan hingegen machte den Eindruck, als zöge sie
in die Schlacht. Sie war eine gute Reiterin, korrigierte aber jeden Fehltritt ihres Ponys. Als müsste alles immer nach ihrem Willen gehen. Wie Rachel musterte sie aufmerksam die Umgebung, doch ihr Blick huschte unstet umher, die Augen hatte sie angestrengt zusammengekniffen.
Trotz aller Unterschiede wiesen beide Frauen auch erstaunliche Gemeinsamkeiten auf. Beide hatten einen starken Willen und strotzten vor Selbstvertrauen und Ehrgeiz. Und beide verschlugen ihm bisweilen den Atem, wenn er sie nur ansah.
Auf einmal wurde Gray klar, dass es noch eine weitere Gemeinsamkeit gab. Mit keiner von ihnen gab es für ihn eine gemeinsame Zukunft. Das Kapitel Rachel hatte er längst abgeschlossen, und mit Seichan wollte er auf keinen Fall ein neues Kapitel aufschlagen.
In Gedanken versunken, ritten sie schweigend durch die Berglandschaft. Nach einer Stunde waren nur noch schemenhafte Felsvorsprünge und dunkle Waldflecken zu erkennen. Schließlich gelangten sie auf eine Anhöhe und erblickten vor sich ein Tal. Der Abstieg war unangenehm steil.
Wallace zügelte sein Pferd. »Wir sind fast da«, sagte er.
Bislang hatten die funkelnden Sterne genügend Licht gespendet, doch im dicht bewaldeten Tal herrschte tiefe Dunkelheit.
Das aber war noch nicht alles.
Inmitten der undurchdringlichen Schwärze waren mehrere rötliche Lichter zu erkennen, als brannten dort kleine Lagerfeuer. Tagsüber hätte man sie leicht übersehen können.
»Was sind das für Lichter?«, fragte Gray.
»Torffeuer«, antwortete Wallace und blies auf seine gefalteten Hände, um den Reifbesatz seines Bartes abzuschmelzen. »Ein großer Teil der Fells ist mit Torf bedeckt. Überwiegend Regenmoor.«
»Und was genau bedeutet das?«, fragte Kowalski.
Wallace erklärte es ihm, doch Gray wusste über Torfmoore Bescheid. Sie waren aus zersetztem Pflanzenmaterial entstanden: aus Bäumen, Laub, Moosen, Pilzen. In feuchten Gebieten fiel eine Menge davon an. Torfmoore gab es häufig in Gebieten, wo sich Gletscher zurückgezogen und eine bergige Landschaft hinterlassen hatten, so wie hier im Lake District.
Wallace zeigte ins Tal hinunter. »Dort unten liegt ein Wald, der auf einem der tiefsten Torfmoore der Gegend wächst. Es nimmt eine Fläche von mehreren Tausend Hektar ein. Die meisten Torfablagerungen in der Gegend reichen nur bis in eine Tiefe von drei Metern. An manchen Stellen im Tal erreicht die Torfschicht jedoch die zehnfache Dicke. Das ist ein sehr altes Moor.«
»Und die Feuer?«, fragte Rachel.
»Aye,
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