Signal: Roman (German Edition)
sie, dass ihre Gefährten friedlich am erlöschenden Feuer schliefen.
Sie stand auf und warf weitere der verdrehten, vom Wind gepeinigten Äste in die Flammen. Das Feuer loderte wieder heller auf und flackerte. Funken tanzten in der Luft, bevor sie wieder verschwanden. Sie drehte sich langsam im Kreis und versuchte, herauszufinden, woher das Geräusch gekommen war. Sie war nicht besorgt. Wenn es hier draußen etwas gab, dann war es vermutlich nur neugierig und wollte wissen, welche Eindringlinge sich in sein Territorium gewagt hatten. Falls dort draußen ein Wesen herumlief, das mehr als nur neugierig war, würde es vom gewaltigen Lagerfeuer auf Abstand gehalten.
Der große Meld blinzelte schläfrig und sah sie an. »Was ist los, Shu?«
Die Gruppenanführerin starrte noch immer in die Dunkelheit hinaus und schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es nichts. Aber ich dachte, ich hätte was gehört.« Sie blieb stehen. Der Meld starrte sie an und wollte sich gerade aufsetzen.
»Shu, was …?«
Die Augen, die sie ansahen, blinzelten nicht. Sie waren groß und sahen im Schein des Feuers gelb aus. Der Löwe kam mit großer Entschlossenheit, königlicher Pose und völlig lautlos auf sie zu. Er hatte eine schwarze Mähne, war wenigstens drei Meter lang und mochte einige Hundert Kilo wiegen. Sie behielt die Katze im Auge, kniete sich hin, griff hinter sich, um einen der brennenden Äste aus dem Feuer zu holen, richtete sich wieder auf und schlug damit nach dem Löwen. Dieser schien die knisternden Flammen zwar zu verabscheuen, näherte sich ihr jedoch weiterhin vorsichtig.
Das war nicht richtig, sagte sie sich, während sie langsam rückwärtsging. Irgendetwas hier war ganz und gar unnatürlich. Alle Katzen fürchteten sich vor Feuer. Doch die lohfarbene, eine Vierteltonne wiegende Bestie vor ihr kam immer näher, als ob die Fackel gar nicht da wäre, als ob sie nichts Bedrohlicheres als einen Zweig Petersilie in der Hand hielt.
Inzwischen waren ihre beiden Gefährten wach. Sie hatten den nächtlichen Besucher sofort bemerkt und sich ebenfalls mit brennenden Ästen bewaffnet. Der Meld begann, den Löwen anzuschreien, während er versuchte, stets das Feuer zwischen sich und dem Tier zu haben. In der Zwischenzeit versuchte die andere Frau, das restliche Holz, das sie gesammelt hatte, in die Flammen zu werfen, die daraufhin mehrere Meter hoch loderten.
Ohne innezuhalten, marschierte der Löwe majestätisch mitten durch das Feuer.
Einige Rauchfäden säuselten von den Spitzen seiner Mähne nach oben, als er auf der anderen Seite wieder herauskam. Gleichzeitig war die Hitze des Feuers aber auch groß genug gewesen, um die kleine Kiste aus braunem Metall zu enthüllen, die am Hinterkopf der großen Raubkatze befestigt war. Ihre anfängliche Reaktion war genauer gewesen, als ihr bewusst gewesen war, denn dieser Löwe war in der Tat nicht natürlich. Er war magifiziert worden.
In dem Moment, in dem sie ihm ihre behelfsmäßige Fackel ins Gesicht schleuderte und sich umdrehte, um wegzulaufen, sah sie etwas anderes aus den Tiefen seiner Mähne hervorlugen: einen winzigen schwarzen Fleck, der in der Mitte glänzte. Eine Vidkamera. Sie packte im Rennen eine Handvoll Sand, ignorierte die Schreie und das Fluchen ihrer Teamkameraden, warf den Sand in Richtung des Löwen, wobei sie hoffte, seineAugen zu treffen, und rannte auf die Schlucht zu, die sie zuvor durchquert hatten. Dort unten konnte sie vielleicht Schutz finden, einen Überhang, eine Höhle, irgendwas. Hinter ihr waren die panischen Rufe zu Schmerzensschreien geworden. Doch sie wurden noch übertönt vom wütenden Knurren von gleich mehreren Wüstenlöwen.
Im Fliehen fragte sie sich, ob es sich bei den Tieren um eine normale Perimeterpatrouille handelte oder eine besondere Überraschung, die man aus Nerens losgeschickt hatte, um den befreiten Gefangenen jeden Gedanken an eine Rettung auszutreiben.
Die Schlucht lag direkt vor ihr. Sie ignorierte die spitzen Steine, die ihre nackten Füße aufschnitten und aufrissen, und stürzte sich hinein. Sie konnten sie zwar nicht mehr sehen, aber immer noch riechen, doch zumindest waren die Leute, die diese manipulierten Katzen von Nerens aus steuerten, nicht mehr in der Lage, sie ihr hinterherzuscheuchen. Diese vereinnahmten Fleischfresser würden sie schon selbst suchen müssen. Wenn sie die furchtbaren Geräusche von zerfetztem Fleisch und brechenden Knochen richtig deutete, die die Nacht hinter ihr
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