Signal: Roman (German Edition)
die Hyänen besiegt, das Schicksal besiegt, sie hatte …
Etwas Schweres prallte gegen ihren Rücken. Sie roch seinenstarken Geruch, eine Kombination aus strengem tierischen Moschus und dem Widerhall von einem Dutzend gefressener Kadaver. Als sie den Kopf herumriss, sah sie der Alphahyäne direkt in die Augen. Ihre feuchte Nase drückte sich gegen ihren Hals. Das Tier riss sein Maul auf, dessen Kiefer kräftig genug waren, um Knochen aufzubrechen und das Mark herauszusaugen, und sie blickte ihm in den Schlund.
Als die Hyäne nach ihrem Gesicht schnappte, schrie sie auf und verlor den Halt, sodass sie beide auf den mit Felsen übersäten Boden der Schlucht zurasten. Die zackigen Aasfresserzähne verfehlten ihr Gesicht, schlugen sich stattdessen in ihre Schulter und bissen fest zu.
Whispr machte einen Satz nach hinten, als sie nach ihm schlug. Er hatte sie an der Schulter berührt und versucht, sie zu wecken. Jetzt rückte er mit aufgerissenen Augen ein Stück von ihr ab. Während sie heftig keuchte und die feuchte Luft in ihre Lungen saugte, verschwanden die letzten Überreste des Albtraums langsam aus ihrem Bewusstsein.
»Du hast geträumt.« Lakonisch fügte er hinzu: »Ein böser Traum.«
»Ich weiß, ich weiß.« Sie presste die Hände an die kühle Röhre, auf der sie geschlafen hatte, drückte die Finger fest auf die stabile Grundlage der realen Welt und saß dort, bis sie wieder ruhig atmen konnte. »Danke. Danke, dass du mich geweckt hast.«
Auf einmal veränderte sich sein Gesichtsausdruck, als ob er bemerkt hätte, dass er die für ihn typische Panzerung aus Sarkasmus und Gleichgültigkeit fallen lassen hatte wie ein mittelalterlicher Ritter seine Rüstung.
»Tja, nun, ich muss zugeben, dass es sehr unterhaltsam war, aber ich wollte dich nicht von deiner bequemen Koje rollen,sonst hättest du dir noch die Nase am Fußboden gestoßen. Wir haben auch so schon genug um die Ohren, ohne dass wir noch Blut wegwischen müssen.« Er wandte den Blick ab und sah den Gang entlang.
Sie blieb auf dem Rohr sitzen und starrte seinen Rücken an. Einen kurzen Moment nach dem Erwachen aus dem schrecklichen Albtraum von Verfolgung und Tod hatte sie einen Blick auf sein wahres Ich werfen können. In seiner Miene hatte sie echte Sorge und nicht gespielte Anteilnahme gesehen. Er hatte Angst um sie gehabt, nicht vor ihr. Und dann war da noch etwas anderes gewesen. Etwas Tieferes, Ernsthafteres, Leidenderes.
Das beunruhigte sie.
Die unangenehme Stille hielt an, und schließlich hielt sie es nicht mehr aus. »Es ist alles okay, Whispr. Mir geht es gut. Es war nur ein schlimmer Traum.« Sie stand auf. »Und im Großen und Ganzen war es gar nicht so schlimm, schließlich habe ich wenigstens ein bisschen geschlafen.« Sie sah sich um. In dem dunklen Tunnel war es unmöglich zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, wie lange sie geschlafen hatte.
Hatte er auch geschlafen? Oder hatte er die ganze Zeit Wache gehalten und den Korridor im Auge gehabt? Auf sie aufgepasst?
»Wir kommen unserem Ziel nicht näher, wenn wir nur hier rumsitzen«, stellte sie dann fest.
Er drehte sich wieder zu ihr um und hatte seine Maske und emotionale Rüstung wieder angelegt. »Ich habe mich schon gefragt, wie lange du da noch rumsitzen und Trübsal blasen willst. Lass uns gehen. Unser Untergang wartet.«
Alles wieder normal , dachte sie. Sie war sich nicht sicher, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
Sie aßen die letzten Essenspäckchen, die Whispr aus seinem Rucksack mitgenommen hatte, und spülten sie mit dem kalten Wasser herunter, das er in ihre Flaschen gefüllt hatte. Danach wuschen sie sich so gut es ging das Gesicht und die Hände und versuchten, nicht nur den Schmutz, der sich beim Krabbeln durch das anscheinend endlose Rohr angesammelt hatte, zu beseitigen, sondern auch den Staub und den Dreck, der von ihrer langen Reise durch die Wüste an ihnen haftete. Was ihre neue Kleidung anging, so war diese dank der elektrostatischen Repulsion, einer Standardkomponente professioneller Arztkleidung, relativ sauber geblieben. Als Whispr fertig war, musterte sie ihn von oben bis unten.
»Du bist der dünnste medizinische Assistent, den ich je gesehen habe, aber ich denke, dass du eine beiläufige visuelle Inspektion überstehen wirst. Denk daran, dass es vor allem auf dein Benehmen ankommt. Tu einfach so, als wüsstest du, was du tust, und halt am besten den Mund.«
»Der erste Teil ist einfach, beim zweiten bin ich mir da nicht
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