Signum - Die verratenen Adler
ihrer Vorfahren war mal Konsul und darauf bilden sie sich furchtbar viel ein.« Caius musste wieder unwillkürlich an die Worte seines Vaters auf dem Forum denken. Ein Tribun von denen, die vom Zelt aus Kommandos geben und dabei bretonische Austern und griechischen Wein schlürfen, dachte er, sagte aber nichts.
Lucius grinste und zog die Augenbrauen hoch. »Und so einem vertraut dein Vater uns an. Wahrscheinlich hat dieserSilanus wenig Lust, den Aufpasser für zwei Jungs wie uns zu spielen?«
Caius grinste noch breiter zurück. »Das trifft sich ja gut. Wahrscheinlich haben zwei Jungs wie wir ja auch wenig Lust auf einen Aufpasser?«
Lucius lächelte gedankenverloren. »Was macht er eigentlich in Oppidum Ubiorum?«, fragte er schlieÃlich. »Die XVIII. Legion ist doch in Castra Vetera stationiert?«
»Sie sind in diesen Tagen in Oppidum Ubiorum, um den Rheinübergang zu besprechen. In einer Woche geht es los. Sie holen die XVII. in Novaesium ab und marschieren nach Castra Vetera, um sich mit der XVIII. und der XIX. zu treffen, bevor sie alle nach Castra Lupiana ziehen.«
»Und da warten die Damen auf uns.« Lucius grinste wieder.
»Da wartet die Arbeit, Herr Geschäftsführer.«
Das Gespräch plätscherte noch eine Weile vor sich hin, dann kam einer ihrer Leibwächter, der vom Anleger aus das Vertäuen der Wagen beaufsichtigt hatte, und meldete, dass das Schiff zum Ablegen bereit sei. Die beiden nickten, standen auf und verlieÃen die Taverne, um an Bord zu gehen.
Auf dem Schiff war wenig Betrieb. Ein paar Händler hatten sich eingefunden, plauderten, an die Bordwand gelehnt, über Belanglosigkeiten und lieÃen die Luke des Laderaums nicht aus den Augen, unter der ihre Waren verstaut waren. Ansonsten herrschte die bei Schiffsreisenübliche, unaufgeregte Atmosphäre. Das Wasser gluckerte im einschläfernden Takt der Ruder, während das Schiff mühelos mit der Strömung über den Fluss schwebte und die beiden Ufer zügig vorüberglitten. Ein paarmal trafen sie andere Schiffe, die sich unter Segel und mit angestrengtem Ruderschlag stromaufwärts mühten, ansonsten waren vor allem flache Kähne unterwegs, die von kleinen Kolonnen von Sklaven getreidelt wurden. Die Hügel rückten immer näher an das Stromtal heran, bis sie direkt aus dem Wasser aufzuwachsen schienen. Am rechten Ufer zeigte sich keine Menschenseele. Von Zeit zu Zeit legten sie an kleineren Flusshäfen an, dann brach die Dämmerung herein.
Nachdem Caius sich in seine kleine Kabine zurückgezogen hatte, waren nur noch das Plätschern der Bugwelle an der Bordwand und das Knarren der Planken zu hören. Die monotone Geräuschkulisse schläferte ihn bald ein, doch es war kein erholsamer Schlaf. Unter Deck war es heià und in seinen Träumen geisterte er in einem Zug von kopflosen Leichen durch einen Wald. Wann immer er versuchte aus der grausigen Kolonne zu fliehen, rückten die Bäume so dicht zusammen, dass kein Durchkommen war. Und wenn er verzweifelt und ratlos wieder in den Zug einscherte, grinsten die Toten ihn an, obwohl sie keine Gesichter mehr hatten. Sie stapften weiter durch schlammige Pfützen.
Irgendwann drang Licht durch die Bäume. Verschlafen öffnete Caius die Augen und wurde gewahr, dass deranbrechende Tag durch die Ritzen in der Deckenluke seiner Kabine blinzelte. Und das Platschen der FüÃe in den Pfützen war nichts anderes als der Ruderschlag des Schiffes, das die ganze Nacht über unbeirrbar seine Bahn gezogen hatte.
11
Ganz anders als Caius, der sich nach seinem Albtraum noch lange auf seiner harten Pritsche hin und her gewälzt hatte, ohne wieder richtig einzuschlafen, hatte Lucius eine erholsame Nacht hinter sich. Gut gelaunt stand er an Deck und blinzelte in die schon ziemlich hoch über dem Horizont stehende Sonne, als Caius zerknittert aus seiner Luke kletterte und sich räkelte, um langsam zu sich zu kommen. Die Ruder schlugen jetzt einen schnelleren Takt, um das Schiff in der Mitte des Stroms zu halten, der in behäbigen Schleifen verlief. Planken und Taue ächzten unter der Belastung.
Die letzten Stunden an Bord brachten die beiden die meiste Zeit über schweigend zu. Caius war voll ungeduldiger Erwartung, die er nicht recht in Worte fassen konnte, und er war zu unruhig, um sich auf ein Gespräch oder überhaupt auf irgendeine Beschäftigung länger zu konzentrieren.
Weitere Kostenlose Bücher