Signum - Die verratenen Adler
Fastrada erzählte, fühlte sie sich zunehmend unwohl. Sie haben sich längst entschieden, dachte sie. Umso mehr widerstrebte es ihr, den beiden einfachzu sagen, was sie hören wollten. AuÃerdem entsprach es, jedenfalls nach ihrem Eindruck, nicht den Tatsachen. Natürlich waren die Hilfstruppen unzufrieden. Aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Leute ganz allgemein nie zufrieden waren. Mit der Ernte nicht, weil es ja immer auch mehr hätte sein können. Ãber den Regen klagten sie, weil sie nass wurden, und sobald die Sonne schien, ächzten sie, weil sie schwitzten. Gab es Arbeit, stöhnten sie. Gab es keine, jammerten sie. Ja, die Hilfstruppen schimpften über die Römer. Aber war das Grund genug für eine Meuterei?
Nach dem Essen trieb Irmin zum Aufbruch an, und auch Fastradas Drang, nach Hause zu kommen, war stärker als ihre Müdigkeit. Und so beschlossen sie, die Nacht durchzureiten.
Die Pferde waren schnell gesattelt. Nachdem sie aufgesessen waren, reichte Batwin ihnen zwei Taschen mit Proviant. »Gute Reise«, sagte er knapp.
»Wir sehen uns in ein paar Tagen«, erwiderte Irmin.
Dann trabten sie los und tauchten in den Wald ein. Die Sonne verschwand hinter ihnen zwischen den Bäumen. Sie ritten lange und ohne Unterbrechung und irgendwann brach die Dämmerung herein.
Sie hatten seit Stunden kein Wort miteinander gewechselt und Fastrada war unbehaglich zumute. Sie fühlte sich ausgenutzt, ohne dass sie hätte sagen können, warum eigentlich. Sie hatte ihrem Cousin einen Gefallen getan, mehr nicht. Aber je länger sie darüber nachdachte, destomehr wurde ihr bewusst, dass ihr Unwohlsein weniger mit dem Auftrag zu tun hatte, der ihr im Nachhinein ohnehin ziemlich überflüssig vorkam, als mit Irmins Vorhaben.
Ihr missfiel die Selbstverständlichkeit, mit der er seinen Ãberfall plante. Wenn das Unternehmen gelang, würde die ganze römische Armee niedergemacht. Wenn nicht, war davon auszugehen, dass die Römer noch härter zurückschlugen. So oder so würden jede Menge Leute sterben.
Irmin musste spüren, dass sie etwas beschäftigte. Normalerweise war er immer zu SpäÃen aufgelegt, wenn sie zusammen waren. Doch jetzt schien auch ihm nicht danach zumute zu sein. Fastrada fühlte, dass aus ihrem Schweigen eine merkwürdige Fremdheit emporwuchs. Und ihr war, als ob sich diese Fremdheit in der lautlosen Zwiesprache ihrer Gedanken zu einer Gereiztheit hochschaukelte, die sie beide unterdrücken wollten und doch nicht konnten. Sie überlegte, was sie sagen könnte, um das Schweigen zu brechen. Alle möglichen Banalitäten gingen ihr durch den Kopf, und dabei wurde ihr klar, dass alle nichtssagenden Worte nur beliebige Klänge waren, die ihrer Befangenheit einen hörbaren Ausdruck gaben und umso mehr offenbarten, dass etwas anderes ausgesprochen werden wollte.
»Ich habe vor dem Lager viele Frauen gesehen«, sagte sie schlieÃlich mit einer Stimme, die ihr selbst fremd vorkam. »Einige hatten kleine Kinder dabei.«
Irmin schwieg eine Weile. »Unsere Leute hatten auch Frauen und kleine Kinder, als die Römer auf ihrem letztenFeldzug unser Land verwüstet haben«, sagte er schlieÃlich. »WeiÃt du, was sie mit denen gemacht haben?«
»Ich will es nicht wissen«, erwiderte sie barsch.
Irmin fuhr unbeirrt fort und klang nun selbst gereizt. »Und als sie in Pannonien den Aufstand niedergeschlagen haben, waren da auch Frauen und kleine Kinder. Hast du eine Ahnung, was sie denen angetan haben? Einen Teil der Frauen haben sie vor Ort erschlagen. Die anderen haben sie vergewaltigt und anschlieÃend mit den Kindern zusammen auf Karren geladen und nach Rom verschleppt. Tiberius wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch in diesem Jahr einen Triumphzug abhalten, bei dem er sie durch die StraÃen zum Jupitertempel auf dem Kapitol schleppen lässt. Hinterher werden sie auf Sklavenmärkten verkauft.«
Fastrada spürte ihre Wut stärker werden. »Wieso sie? Du hast doch auch mitgemacht! Du bewunderst diesen Tiberius doch!« Irmin schwieg wieder, und Fastradas Augen füllten sich mit Tränen. Sie sprach leise, entsetzt über die plötzliche Feindseligkeit, die sie ihrem Cousin gegenüber empfand. »Hast du dabei mitgemacht oder nicht? Hast du Frauen vergewaltigt?«
»Nein.« Er klang auf merkwürdige Weise zornig und nachdenklich zugleich.
»Warum
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