Signum - Die verratenen Adler
der Kline aufgestanden und schien aus seinen eigenen Worten zunehmend Entschlossenheit zu schöpfen. »Ich bin der Statthalter des Augustus in dieser Provinz«, fuhr er jetzt in scharfem Ton fort. »Ich kommandiere die Rheinarmee, und wenn es mir passt, dann schicke ich Rullianus mit seiner Legion auf den Mond.«
Caius war erleichtert über die Lebhaftigkeit, mit der Varus gesprochen hatte. Die Wut des Statthalters richtete sich ausschlieÃlich gegen seinen Legaten. AuÃerdem hatte das peinliche Schweigen ein Ende.
Varus redete sich jetzt zunehmend in Rage. »Dieser Gernegroà tut gut daran, sich mir gegenüber zurückzuhalten!«, rief er. »Er hat nichts in der Hand auÃer einem Brief voller Andeutungen. Wenn es hart auf hart kommt,kann ich sogar bestreiten diesen Brief selbst geschrieben zu haben. Andere Anhaltspunkte gibt es nicht.«
Bis auf einen, dachte Caius. Irgendwo steht eine Truhe oder Kiste mit gewichtigem Inhalt. Wenn das kein Anhaltspunkt ist. Ihm fiel noch etwas anderes ein. Es musste ja einen Brief geben, auf den der Statthalter mit seinem Schreiben geantwortet hatte. »Was ist mit dem Brief des Princeps?«, fragte er vorsichtig.
Varus fuhr herum. »Du hältst dich für sehr klug, was?«, fragte er bissig. »Den Brief habe ich vernichtet.« Dann beruhigte er sich wieder. Er ging zu seiner Kline, setzte sich und füllte seinen Becher erneut, ohne den beiden etwas anzubieten. Mit einem Ruck stürzte er den Wein hinunter. Er schien zu überlegen. Als er weitersprach, wirkte er aufgeräumt, fast belustigt. »Wir sind jetzt in der geradezu grotesken Situation, dass zwei Jungen, die meine Söhne sein könnten, mir hier mitten in Germanien gegenübersitzen und darauf warten, dass ich sie zu Mitwissern einer Staatsaffäre mache, die das ganze Imperium erschüttern könnte«, sagte er und lachte plötzlich auf, ohne sie anzusehen. Caius hatte den Eindruck, dass der Statthalter angetrunken war. Immerhin hatte er schon einige Becher Wein geleert, die letzten drei davon ziemlich schnell hintereinander. Varus lachte eine Weile kopfschüttelnd vor sich hin, dann presste er, immer noch grinsend, die Lippen aufeinander und sah zuerst Caius, dann Lucius an. »Ihr fragt euch die ganze Zeit schon, was vor fünfzehn Jahren passiert ist, was?«, fragte er plötzlich, und bevor sieantworten konnten, fuhr er fort: »Seit ihr eure neugierigen Nasen in diesen verdammten Brief gesteckt habt, denkt ihr darüber nach.« Varus schenkte sich den letzten Schluck aus der Karaffe ein. Sein Gesicht wurde wieder ernst und er schwieg eine Weile.
Die Spannung stand im Raum wie schwüle Luft vor einem Gewitter, das jeden Augenblick losbrechen kann. Aus den Augenwinkeln sah Caius, dass Lucius sich vorgebeugt hatte und an den Lippen von Varus hing, der nicht recht zu wissen schien, wo er anfangen sollte.
SchlieÃlich nahm er einen Schluck Wein und begann zu sprechen. »Vor fünfzehn Jahren war ich Statthalter in Syrien, wie ihr wahrscheinlich schon herausgefunden habt«, sagte er mit dem Anflug eines ironischen Lächelns. »Es gab damals in Judäa, also südlich der Provinz, einen König Herodes, der als Monarch von unseren Gnaden das Land regierte. Ein alter Fuchs, der sich im Laufe seiner Regierungszeit beinahe die ganze Region zwischen Syrien und Ãgypten unter den Nagel gerissen hatte. Leider litt er unter Verfolgungswahn und rottete fast seine ganze Familie aus, weil er meinte, dass jeder ihm nach dem Leben trachtete.« Varus machte eine kleine Pause und schob mit einem dünnen Lächeln hinterher: »Ein Verdacht, der wiederum nicht immer völlig aus der Luft gegriffen war. Nun, wie dem auch sei, auch der Princeps traute Herodes nicht über den Weg, und eine meiner Aufgaben bestand darin, dem Alten auf die Finger zu sehen. So verbrachte ich manchmal zwei Wochen am Stück in Jerusalem, wo ermich in einem ziemlich luxuriösen Gästehaus nicht weit von seinem Palast untergebracht hatte. Ich ging bei ihm ein und aus, nahm an allen Beratungen teil, lieà mir die Baustellen zeigen, schickte ihm Spezialisten, ging mit ihm auf die Jagd, inspizierte die Armee mit seinen Heerführern, tafelte mit ihm und seinem Hofstaat, und anschlieÃend schrieb ich Berichte darüber an Augustus. Herodes wusste das natürlich, und er tischte immer mächtig auf, um mich und damit Rom zu beeindrucken und von seiner
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