Signum - Die verratenen Adler
sein, dachte Caius. Die Tür ging noch ein Stück weiter auf und gab die Gestalt des Legaten frei. Caius erstarrte.
Rullianus füllte den gesamten Türrahmen mit seinem massigen Körper, er trug die Feldherrenuniform mit dem weiÃen Mantel und dem Schwertgehänge, aber ohne Brustpanzer.
Als er die beiden Gäste sah, erschien ein gehässiger Ausdruck in seinen Zügen. »Hoher Besuch?«, fragte er spöttisch.
Varus straffte sich. Von einem Moment zum anderen war er wie verwandelt, und der zuletzt fast vertrauliche Ton wich aus seiner Stimme. »Seit wann holst du mich persönlich zu den Besprechungen ab?«, fragte er kalt.
»Oh, wir dachten, du hättest es vielleicht vergessen. Der Bote von den Cheruskern ist da. Wir warten schon ungeduldig auf dich. Es gibt ein paar Neuigkeiten von unseren suebischen Freunden.«
»Von unseren suebischen Freunden«, wiederholte Varus mit einem angeekelten Lachen.
»Denen wir die Freundschaft wohl demnächst aufkündigen müssen«, sagte Rullianus.
Varus sammelte sich und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, dass die Becher schepperten. »Ich bin sofort da.«
Die Tür wurde wieder zugeschoben, ohne dass sich Schritte entfernten. Caius hörte sein Herz klopfen. Er konnte es nicht glauben. Rullianus schien einen siebten Sinn für den richtigen Moment zu haben. Oder den falschen.
Varus schaute abweisend ins Leere. »Ich muss wahnsinnig sein euch das zu erzählen«, flüsterte er. Dann stand er auf, und als hätte ihm ausgerechnet der Anblick seines gröÃten Widersachers das Bewusstsein für die Autorität seines Amtes und die daraus resultierende Verantwortung wiedergegeben, richtete er sich kerzengerade auf. Seine Stimme war entschlossen und hart, aber immer noch leise. »Ich will, dass kein Wort von dem, was hier geredet wurde, an irgendjemanden gelangt. Ist das klar?«
Caius und Lucius nickten wie Schuljungen nach einer Standpauke. Als der Statthalter in normaler Lautstärke weitersprach, klang er sachlich, fast als wollte er, dass seine Worte durch die Tür drangen. »Ich breche morgen zu einer Inspektionsreise auf«, sagte er. »Es geht ins Gebirge zu den Minen. Ich empfehle euch mit mir zu fahren.« Er wandte sich an Lucius. »Du kannst dir dort ein Bild von den Geschäften deines Vaters machen. Die Legionen gehen nach Osten und beziehen ein Sommerlager im Land der Cherusker. Wir stoÃen in zwei Wochen dazu.« Als sei damit alles gesagt, ging er zur Tür.
Caius und Lucius erhoben sich, immer noch völlig entgeistert von der plötzlichen Wendung des Gesprächs. Varus zog die Tür auf und wartete, bis die beiden Freunde den Raum verlassen hatten.
Auf dem Gang stand Rullianus in herausfordernder Pose und wich keinen Schritt zurück, sodass sie sich fast an ihm vorbeidrängen mussten. Sein Blick war drohend. »Schönen Abend«, sagte er.
20
Caius und Lucius trotteten niedergeschlagen und missmutig durch die laue Abendluft zu ihrer Unterkunft zurück. Die StraÃen waren immer noch voll von Menschen. Den ganzen Tag über waren unablässig Soldaten und Trossleute ins Lager geströmt, hatten ihre Baracken bezogen und gaben sich nun dem MüÃiggang hin. Sie tranken Wein, rissen derbe Witze und würfelten um Geld. Ãberall rauchten kleine Schornsteine. Die verschiedensten Düfte und Ausdünstungen hingen in der Luft, und wie bei den Gesprächsfetzen, die Caius aufschnappte, vermischte sich auch hier Appetitliches mit AbstoÃendem.
Als sie um die Ecke bogen, stand einer ihrer Leibwächter mit grimmigem Gesichtsausdruck vor der Tür, als wollte er durch demonstrative Wachsamkeit das Missgeschick von Placidus wiedergutmachen. Sie erkundigten sich nach dem Verletzten und statteten ihm einen kurzen Besuch ab. Placidus lag in seiner Kammer und döste vor sich hin. Als sie eintraten, wollte er sich aufrichten und zu einer schuldbewussten Rechtfertigung anheben, aberCaius unterbrach ihn, indem er ihm sagte, er solle sich ausruhen, man werde ihn noch brauchen. Das schien Placidus zu beruhigen, und er schloss die Augen.
Die beiden Freunde gingen in ihr Quartier und setzten sich auf ihre Betten. Keiner von beiden hatte rechten Hunger, obwohl es eigentlich Zeit zum Essen gewesen wäre.
»Es ist nicht zu fassen«, murmelte Lucius. »Rullianus platzt einfach rein und vermasselt alles.«
»Vielleicht wird Varus
Weitere Kostenlose Bücher