Signum - Die verratenen Adler
auf der Reise ja wieder gesprächig.«
»Weil der Anblick von Minen einen in heitere Plauderstimmung versetzt?«, fragte Lucius spöttisch.
»Nein, du Esel, weil Rullianus nicht dabei sein wird«, antwortete Caius.
»Schönen Abend«, äffte Lucius die letzten Worte des Legaten nach. »Dem würde ich das Maul am liebsten mit Blei ausgieÃen, bis ihm sein dämliches Grinsen vergeht.«
»Gute Idee. Und anschlieÃend stopfen wir ihn mit Schleuderbleien aus wie eine trojanische Sau.«
»Und dann versenken wir ihn im Rhein. Schwer genug ist er ja dann.«
Die beiden lieÃen ihrer Fantasie noch eine Weile in freudloser Gehässigkeit freien Lauf. Doch alles Lästern und Fluchen half am Ende nichts: Sie waren in einer Sackgasse. Varus schien seine Redseligkeit zu bereuen. Wahrscheinlich würde er gar nicht mehr auf das Thema zurückkommen und entsprechende VorstöÃe von ihrerSeite als vorwitzig und anmaÃend abkanzeln. Die nächste Zeit würde nicht gerade abenteuerlich werden.
Caius dachte wieder an das Mädchen. Wenn sie morgen abreisten, bestand keine Gelegenheit mehr, sie noch einmal zu sehen. SchlieÃlich berichtete er Lucius in beiläufigem Ton von seiner Begegnung. Sein Freund maulte ein bisschen herum, Caius hätte ihm ja wohl früher davon erzählen können. Ansonsten schien ihn das Thema Mädchen, über das er eigentlich so gerne sprach, nicht zu interessieren. Er würde alle Brutzelerfrauen und Cherumplermädchen dieser Provinz gegen das eintauschen, was Varus in diesem Kasten aufbewahrte, tönte er.
Frustriert gingen sie früh ins Bett, um am nächsten Tag ausgeschlafen zu sein für den Ritt ins Hügelland, das irgendwo südlich des Flusses begann. Die Reisewagen lieÃen sie im Lager, weil das Gelände schwer zugänglich und noch kaum durch römische StraÃen erschlossen war. Caius schlief unruhig und wachte immer wieder auf, ohne sich an mehr als ein paar neblige Gestalten erinnern zu können, die ihn in seinen Träumen heimsuchten.
Am Morgen wurden die wichtigsten Sachen, vor allem die Unterlagen über die Bleimine, auf Packpferde verladen. Als Caius nach dem Frühstück aus der Gasse trat, sah er, wie sich auf der LagerstraÃe eine Kolonne formierte: Prätorianer der Leibwache des Statthalters, Liktoren mit ihren Rutenbündeln, die erste Kohorte der XVII. Legion zu FuÃ, Meldereiter, Personal aus dem zivilen Verwaltungsstab und eine Reihe von einigermaÃen geländegängigenWagen für das nötigste Gepäck. Die beiden Freunde waren unschlüssig, ob sie sich beim Statthalter melden und, wenn ja, wie sie ihm gegenübertreten sollten. Caius schlug vor zu warten, bis Varus sich meldete; Lucius wandte ein, dass die Kolonne am Ende ohne sie aufbrechen würde und dass er keine Lust habe, dem Statthalter und seinem Gefolge wie ein unerwünschter Bittsteller hinterherzuschleichen. Und so stapfte er, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zur Kommandantur und kehrte nach einer Weile mit zufriedenem Gesicht zurück. Einer der Liktoren hatte ihnen einen Platz in der Kolonne freigehalten.
Eine Stunde später waren sie unterwegs. In ihrer Begleitung befanden sich zwei Leibwächter, die beiden Sklaven und der Sekretär von Lucius. Die vier Bediensteten aus dem Geleit von Caius hatten sie zurückgelassen. Sie sollten dafür sorgen, dass die Wagen mit dem Heer ins Sommerlager gebracht wurden, wo die beiden später dazustoÃen wollten.
Der Ritt führte sie zunächst Richtung Osten am Fluss entlang. Caius und Lucius hielten sich mit ihren Leuten im hinteren Teil des Zuges. Irgendwo vorn ritt Varus mit seinen Liktoren, umgeben von ein paar Beratern und einem Teil seiner Leibwache. Zwischen ihnen marschierte die Schlange aus fast fünfhundert Legionären in Sechserreihen. Den Schluss bildeten die Gepäckwagen. Solange sie auf der StraÃe waren, ging es schnell voran, und nach kurzer Zeit war Castra Lupiana am Horizont verschwunden. Ein leichter Nieselregen setzte ein, der nicht weiterstörte, sondern nach der Hitze der vergangenen Tage einen angenehm kühlenden Film auf der Haut bildete.
Caius konnte nicht sagen, wie lange sie geritten waren. Immer wieder sprang die Wand aus Bäumen zurück und gab Felder und Weiden frei. Sie passierten vereinzelte Höfe und kleine Siedlungen. Geredet wurde wenig, und immer noch fragte sich Caius, wie sie dem
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