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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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diesen Leuten mehr Worte gewechselt als in der ganzen Zeit seit dem Aufbruch. Was so ein Braten doch alles bewirkt.
    Nach dem Essen verstrickten sich Lucius und Leandros immer tiefer in ihre Fachsimpelei über die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Blei. Caius verlor bald die Lust an der Unterhaltung und ging vor die Tür, um etwas Luft zu schnappen und sich im Dorf umzuschauen.
    Es war schon etwas dämmerig geworden und aus dem Zelt des Statthalters drang ein schwacher Lichtschein. Caius blieb stehen.
    Eine Gestalt war in der Zeltöffnung zu sehen. Es war Varus, angetan mit seinem Prachtharnisch und dem hohen Helm mit Federbusch. Er trat ins Freie, im gleichen Moment entdeckte er Caius, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, das keine Befangenheit verriet. Er ging auf Caius zu und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Seid ihr gut untergekommen?«, fragte er fast beiläufig, als habe das Gespräch vom Vorabend nie stattgefunden.
    Â»Es geht«, sagte Caius, der über die zwanglose Haltung seines Gegenübers beruhigt war. »Das Essen war hervorragend.«
    Varus nickte. »Man sollte es nicht meinen, aber von Fleisch verstehen sie etwas. Mit der Zusammenstellung der Zutaten hapert es manchmal, aber satt wird man immer. Zu ihren Gästen sind sie von einer Zuvorkommenheit, die einen fast beschämt.«
    Â»Nun haben sie heute allerdings auch nicht irgendwen zu Gast«, sagte Caius. Im selben Augenblick hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen, er fand die Bemerkung anbiedernd, kaum dass er sie ausgesprochen hatte.
    Varus blickte ihn fast tadelnd an. »Darauf darf man sich nichts einbilden«, erwiderte er. »Die Bewirtung ist kein Maß für den Rang ihrer Gäste und auch nicht für die Freundschaft, die sie mit ihnen verbindet. Sie sind zu allen so.« Und etwas rätselhaft fuhr er fort: »Man sollte keine falschen Schlüsse daraus ziehen. Der Gast ist bei ihnen König, selbst wenn sie ihm am nächsten Tag in den Rücken fallen. Das ist hier kein Widerspruch.« Caius wusste nicht recht, was er sagen sollte. Nach einer weiteren Pause fügte der Statthalter hinzu: »Bei uns übrigens auch nicht.« Dann lenkte er das Gespräch auf die kommenden Tage, auf die Mine und auf die weitreichenden Pläne, die er mit den Verwaltungsleuten für die Ausbeutung der seiner Ansicht nach überreichlichen Bodenschätze ausgearbeitet hatte. Es war eine lockere Plauderei, die eine ganze Weile währte, ohne dass Varus auch nur durch die geringste Bemerkung verriet, dass er an die Unterhaltung über das geheimnisvolle Mitbringsel dachte. Schließlich verabschiedeten sie sich.
    Als Caius sich zum Gehen wenden wollte, hielt Varus ihn zurück. »Eins noch«, sagte er. Aha, dachte Caius. Also doch. Die Stimme des Statthalters hatte gelassen geklungen, als ginge es um eine Nebensächlichkeit, die ihm gerade eingefallen war. Auch als er weiterredete, wirkte er souverän. »Ich möchte nicht, dass über unsere Unterhaltung von gestern Abend zu irgendjemandem ein Wort verloren wird«, sagte er. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ihr mich informiert habt. Aber diese Geschichte geht nur Augustus und mich etwas an. Haben wir uns verstanden?«
    Â»Ja«, antwortete Caius, der von der lockeren Überlegenheit des Statthalters überrascht und gleichzeitig erleichtert war. Fast hörte es sich so an, als genügte das Stillschweigen, um alle Gefahren von ihnen abzuwenden. Varus schien auf beruhigende Weise zu wissen, wie er mit der Situation umzugehen hatte.
    Der Statthalter nickte freundlich, drehte sich um und verschwand im Haupthaus, aus dem jetzt ein lautes, mehrstimmiges Lachen zu hören war.

21
    Nach einem weiteren Tag, den sie am Ufer der Lupia entlanggeritten waren, überquerten sie den Fluss an einer Furt. Das Wasser schäumte um die Hufe der Pferde und zwischen den Stiefeln der Soldaten, und die Gischt wurde von der trägen Strömung fortgetragen. Die Luft war diesig, und gegen Abend entlud sich ein Gewitter über dem Wald, den sie schweigend durchquerten. Die Reise schien kein Ende nehmen zu wollen: endlose Ritte, Nachtlager in tristen Dörfern mit gastfreundlichen, aber wenig redseligen Menschen, von denen immer weniger ihre Sprache verstanden. Sie waren im Land der Marser, die von den Brukterern äußerlich durch nichts zu unterscheiden waren. Varus hielt hier und da

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