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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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Windungen verästelte Adern in der mit groben Hackenschlägen behauenen Stollenwand, über der ein feuchter Film lag. Auf dem Boden hatten sich Pfützen gebildet. Der Eingang des Stollens war nur noch ein kleiner heller Fleck.
    Caius fühlte sich mit einem Mal von allen Seiten bedrängt und plötzlich fiel ihm der Traum wieder ein, derihn auf der Schiffsfahrt nach Oppidum Ubiorum heimgesucht hatte: gesichtslose Tote, mit denen er durch einen engen Korridor stolpern musste. »Lass uns rausgehen«, sagte er und wandte sich um.

22
    Sie blieben vier Tage bei der Mine, Tage, die Caius vertrödelte, während Lucius von morgens bis abends damit beschäftigt war, den Betrieb zu inspizieren, Anweisungen zu geben, Geld zu zählen und an der Seite seines Sekretärs Leandros Abrechnungen zu prüfen.
    Caius begriff in diesen Tagen, was er zuvor nur geahnt hatte: Lucius liebte die Herausforderung. Was er auch tat – er tat es mit Leidenschaft und Eifer. In Rom hatte er das Leben eines verwöhnten Sohnes aus reichem Haus geführt, er hatte Mädchen nachgestellt und üble Streiche ausgeheckt, aber nicht, weil der Müßiggang seinem Charakter entsprach, sondern weil ihm bis dahin keine andere Aufgabe zugewiesen worden war. Viele hielten ihn für ein Großmaul, aus dem nichts werden würde als ein im gelangweilten Überdruss alternder Schwerenöter, der das Arbeiten anderen überließ und bis ans Ende seiner Tage sein reiches Erbe mit Lastern und Exzessen verprassen würde. Jetzt aber, wo er mit Bleibarren hantierte und Akten überflog, jetzt bewies er, wie oberflächlich diesesUrteil war. Caius dachte an die Worte seines Vaters auf dem Forum:
Deine Abstammung ist kein Verdienst, sondern ein Ansporn, dir mit echten Verdiensten echten Respekt zu verschaffen
. Sein Freund Lucius, der Tunichtgut, hatte diese Weisheit längst verinnerlicht, ohne dass es jemand gemerkt hatte, vielleicht noch nicht einmal er selbst.
    Am Abend des letzten Tages ging es Caius auf einmal schlecht. Er wusste nicht, ob es am Essen lag oder an der schwülen Luft oder an beidem. Abends im Bett wälzte er sich unruhig hin und her.
    Wenn er die Augen schloss, begann sich alles um ihn herum zu drehen. Er stellte einen Fuß auf den Boden, doch es wurde kaum besser. Schließlich stand er wieder auf, um sich die Beine zu vertreten. Fast augenblicklich ließ das Schwindelgefühl nach. Caius trat vor die Tür. Draußen war es totenstill.
    Am Himmel leuchtete der Vollmond strahlend hell. Caius blickte sich in der Siedlung um und fühlte sich auf einmal gar nicht mehr müde. Weil er außerdem fürchtete, dass sein Kopf erneut zu rotieren beginnen würde, sobald er sich ins Bett legte, beschloss er einen kleinen Spaziergang zu machen.
    Er verließ das Dorf und lief auf einem Weg zwischen leise rauschenden Buchen, deren Laub ein rätselhaftes Eigenleben zu führen schien und ab und zu unregelmäßige Ausschnitte der Mondscheibe zeigte. Stämme und Wurzelwerk schimmerten in fahlem Grau. Ein Knacken drangaus einem Busch, gefolgt von der raschelnden Geschäftigkeit eines Nagetiers. Die geheimnisvolle Dunkelheit zog Caius tiefer in den Wald hinein, als gälte es, eine Mutprobe zu bestehen. Und so ging er mit zuerst zögernden und dann immer entschlosseneren Schritten weiter den Pfad entlang, bis die Bäume vor ihm auseinanderwichen und den Blick freigaben auf einen Weiher, der im Mondlicht bleiern leuchtete. Plötzlich sah er auf der anderen Seite einen Lichtschein. Eine Gänsehaut kroch über seine Arme. Etwas bewegte sich dort drüben. Caius duckte sich hinter einen Baumstamm und starrte angestrengt hinüber. Das Leuchten kam von einer Fackel, die von einer weiß gekleideten Gestalt getragen wurde. Die geisterhafte Figur, die in der Dunkelheit kaum als Mensch zu erkennen war, erschien zwischen den Bäumen und lief zum Ufer. Fünf weitere ebenfalls weiß gekleidete Gestalten mit Fackeln in der Hand traten in einigem Abstand aus dem Wald und formierten sich am Ufer zu einem lockeren Kreis. Es war ein gespenstischer Anblick, und Caius klopfte das Herz bis zum Hals. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sie mich hier entdecken, dachte er. Unwillkürlich sah er sich auf einen Altar gezerrt, von Skeletten in weißen Gewändern, die sich anschickten, ihm bei lebendigem Leib das Herz herauszureißen.
    Ein leise anschwellendes Raunen und Murmeln

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