Signum - Die verratenen Adler
dass für ihn im römischen Heer eine Karriere vorgesehen war, wie sie noch nie ein Barbar gemacht hatte. Caius erinnerte sich bei diesem Gerede an die Worte des Princeps. Wir füttern sie mit Beute und Titeln und zeigen ihnen, wie sie immer mehr zusammenraffen können. Ihre Rastlosigkeit wird zu Ehrgeiz und der Ehrgeiz zu Gier. Und dann merken sie, dass sie uns eigentlich gar nicht brauchen. So ähnlich hatte Augustus sich ausgedrückt. Und wenn schon in Rom auf diese Weise über Arminius gesprochen wurde, was mochte man ihm dann erst hier zutrauen, in seinem Land, wo er das Sagen hatte!
Da nun für den Tag der Zusammenkunft fast alle waffenfähigen Männer der Cherusker angekündigt waren, schienen Varus und die Leute vom Stab der Legionen besonderenWert darauf zu legen, ihrerseits mit groÃem Gefolge zu erscheinen, um bei der Versammlung keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wer Kopf und Herz der in Germanien operierenden Streitkräfte war. Sonst, das hatte Varus angeblich bei einer Besprechung gesagt, sehe es am Ende aus, als stellten die Römer die Hilfstruppen der Cherusker und nicht umgekehrt.
Und so zog am Morgen des für das Treffen festgesetzten Tages eine Streitmacht aus, die schon angesichts ihrer reinen Zahlenstärke beachtlich war. Fast dreitausend Soldaten folgten dem Statthalter, der hinter seinen Liktoren ritt und seine gesamte Leibwache um sich und seinen engen Kreis geschart hatte. Hörner blitzten in der Sonne. Helmbüsche zitterten. Pferdegeschirre klimperten. Standartenträger reckten ihre Feldzeichen in die Höhe und setzten sich auf ein Signal hin im Gleichschritt mit den nachfolgenden Truppen in Bewegung.
Caius und Lucius hatten sich den höheren Beamten des Verwaltungsstabes angeschlossen, die in ihren weiÃen Tuniken inmitten des ansonsten ganz und gar militärischen Aufmarsches wie Fremdkörper wirkten. Einmal sah Caius das finstere Gesicht von Rullianus zwischen dem lebenden Schild aus Prätorianern weiter vorn.
Vier Stunden lang ging es ohne Rast durch die brütende Hitze des Augustnachmittages. SchlieÃlich schälte sich am Horizont ein unregelmäÃiges Steingebilde aus dem wabernden Dunst. Den Gesprächen entnahm Caius, dass das Zusammentreffen dort stattfinden sollte. Die Cheruskernutzten diesen Ort, dessen Name übersetzt so viel wie Elstersteine bedeutete, für ihre Volksversammlungen, weil sie glaubten, dass ihr Gott Wodan, der in der römischen Götterwelt in etwa Merkur entsprach, diese Steine dort aufgestellt habe.
Im Näherkommen wurden die Felsformationen immer gewaltiger. Zwischen kleineren Steinen ragten fünf oder sechs gröÃere aus dem Land auf wie langsam verrottende Zähne aus dem liegen gebliebenen Unterkiefer eines Riesen. Einer von ihnen stand so schräg zwischen zwei anderen, dass Caius sich wunderte, dass er nicht schon längst zur Seite gesackt war.
Vor den Felsen war eine riesige Rodung, auf der es vor Menschen zu Fuà und zu Pferd nur so wimmelte. Ohne anzuhalten, arbeitete sich der Zug der Römer über eine letzte flache Hügelkuppe und strömte wie ein rot, silbern und golden glitzernder Bach auf die sich verbreiternde Lichtung zu.
Die tausendgesichtige Masse aus rotbärtigen und blondhaarigen Kriegern, die meisten ohne Harnisch und mit spärlicher Bewaffnung, spaltete sich in zwei Lager, als Varus und sein Gefolge an der Spitze des Zuges langsam über die abschüssige Fläche ritten. Nachdem sie in der vordersten Reihe Aufstellung genommen hatten, staute sich der Rest der Kolonne hinter ihnen, sodass die drei Kohorten zwischen den ungeordnet hingewürfelten Germanenhaufen zum Stehen kamen. Sie hatten die Sonne im Rücken und die Gesichter den Felsen zugewandt, dieim abendlichen Licht von einem warmen Schimmer überzogen wurden und durch die flach einfallenden Sonnenstrahlen noch schartiger und wilder aussahen als aus der Ferne.
»Was haben sie sich denn da für ein Spektakel ausgedacht?«, raunte einer der Tribunen vor Caius und Lucius seinem Nebenmann zu, einem etwa fünfzigjährigen Centurio, der als Stabsoffizier nicht bei seiner Einheit stand, sondern ebenfalls zu Pferd im Gefolge des Statthalters gekommen war.
Das Gesicht des Centurios, das nach mehreren Jahrzehnten Krieg, zahllosen Ãbernachtungen bei kalter Witterung und endlosen Märschen unter sengender Sonne von tiefen Furchen durchzogen war, erinnerte Caius
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