Silber
deswegen nicht. Ich würde viel lieber nach Tel Aviv gehen und die Männer töten, die unser Mädchen entführt haben.“
„Ich auch, mein Freund. Mit Ihnen als Vollstrecker, meine ich damit natürlich. Ich selbst könnte kaum eine Wespe erschlagen. Passen Sie auf sich auf, Koni. Ich werde Ihnen gleich ein Datenpaket auf Ihr Handy schicken; darin finden Sie den päpstlichen Reiseplan der nächsten achtundvierzig Stunden – mit wem er sich trifft, wo, und wie er dorthin kommt. Ich schicke Ihnen auch die Route der Prozession. Seine Heiligkeit soll heute am Florinsmarkt das Abendgebet sprechen. Das Podium ist genau an dem Platz errichtet worden, wo früher der Galgen stand. Teil des Gottesdienstes wird sein, diesen finsteren Ort zu segnen. Wenn etwas passiert, dann wird es dort sein; das ist zumindest meine Meinung. Es ist ein offener und sehr belebter Platz. Das bietet viele günstige Gelegenheiten.“
„Dann ist es genau aus diesem Grund unwahrscheinlich“, sagte Konstantin. „Dort werden die Sicherheitsmaßnahmen am schärfsten sein. Wie sieht es mit der Strecke der Prozession aus?“
„Die Prozession führt erst am Fluss entlang und dann durch die Altstadt. Die Strecke ist insgesamt etwa fünf Kilometer lang und enthält viele Meet-and-Greet-Etappen. Alles findet auf relativ offenem Gelände statt, soweit ich das vom Monitor aus beurteilen kann. Fast keine der Straßen dort ist so flächendeckend mit Überwachungskameras ausgestattet, wie wir das hier gewohnt sind, deshalb werde ich Ihnen nur begrenzt von Nutzen sein können, wenn die Hölle losbricht.“
„Du machst, was du am besten kannst, und ich werde tun, was ich am besten kann“, sagte Konstantin und legte auf.
Das leise Rattern der Räder auf den Schienen klang beruhigend in Konstantins Ohren. Er ertappte sich dabei, ein Gedankenmuster aufzunehmen, das dem Rhythmus des
ta-ta-ti-tam ta-ta-ti-tam
folgte, das er durch den Boden unter seinen Füßen spüren konnte.
Wenn der Zug keine Verspätung hatte, würde er zweieinhalb Stunden vor dem Abendgebet des Papstes in Koblenz ankommen. Damit hatte er zumindest ein bisschen Zeit, um sich die Strecke der Prozession anzusehen und nach guten Positionen für Scharfschützen und dergleichen Ausschau zu halten. Allerdings würden sich zur selben Zeit auch die Schaulustigen versammeln, was seinen Job erschweren würde.
Es musste Bestechung im Spiel sein. Die ganze Sache stank förmlich danach.
Humanity Capital war eine große und reiche Gesellschaft. Die Devere Holding war eine noch größere und reichere Gesellschaft. Die Tatsache, dass Miles Devere zur Zeit des Erdbebens in Israel gewesen war und dort mit dem echten Akim Caspi zusammengearbeitet hatte, machte ihn zum Zentrum des verworrenen Knotens, den Konstantin zu lösen versuchte.
Er zweifelte keine Sekunde daran, dass Lethe Recht hatte; Devere würde beim Endspiel dabei sein wollen, aber er war nicht so idealistisch veranlagt wie Mabus. Devere war ein Mann des Geldes. Er hatte Geld, und mit Geld konnte man Leute kaufen. Er war eine sehr simple Weltanschauung, aber er hatte bisher offenbar noch keinen Grund gefunden, um an ihr zu zweifeln. Er war ein einflussreicher Geschäftsmann. Er entwickelte wirtschaftliche Strategien, um die Schwächen des Systems auszunutzen, und er liebte das System dafür, dass es sich so leicht ausnutzen ließ.
Mabus dagegen war ein ganz anderes Kaliber. Er heuerte keine Söldner an, um bewaffnete Konflikte künstlich in die Länge zu ziehen, er bestach niemanden für einen Angriff auf ein ziviles Stadtviertel, nur um es anschließend wieder aufbauen zu können. Er war nicht auf Profit aus. Das war auch gar nicht notwendig. Er war ein Fanatiker, so wie es die Sikarier vor zweitausend Jahren gewesen waren. Und wie jeder Fanatiker waren seine Überzeugungen sein Handelskapital. Und Mabus hatte einen festen Glaubensgrundsatz: Die Kirche war auf einer Lüge gegründet worden. Der Mann, den die Geschichte als den Großen Verräter schmähte, war in Wahrheit der echte Messias, ein religiöser und kriegerischer Befreier, der sein Opfer aus Liebe begangen und es mit einem Kuss besiegelt hatte.
Diese Überzeugung hatte Mabus dazu veranlasst, dreizehn Anhänger um sich zu scharen und aus ihnen die selbsternannten Jünger von Judas zu schmieden. Diese Dreizehn hatten ihre Netze ausgeworfen und andere für ihre Sache rekrutiert. Zusammen bildeten sie die Dreizehn Schreie. Doch was war ihr heiliger Zweck? Die einzig logische
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