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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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den Platz hallte. Damit blieben achteinhalb Leute übrig, die auf der rechten Seite der Bühne standen und theoretisch den Dolchstoß selbst, oder wenigstens den Dolch in der Hand des Mörders, sehen konnten. Wie viele von diesen achteinhalb würden sich durch Konstantins plötzlichen Sprung auf die Bühne ablenken lassen und in letzter Sekunde den Blick von dem wahren Mörder abwenden? Zwei? Drei? Vier? Fünf war eine vernünftige Schätzung. Fünf war eine gute Zahl, und sie bedeutete, dass insgesamt dreieinhalb Menschen in die richtige Richtung blickten, freie Sicht hatten und nicht abgelenkt waren.
    Nun war die Frage, wer von diesen dreieinhalb realisiert hatte, dass er gerade Zeuge des eigentlichen Mordes wurde. Einer, oder vielleicht zwei? Und wenn ja, würden sie ihre Beobachtungen melden? Andererseits, warum sollten sie, wenn die ganze Welt Konstantin schon für schuldig befunden hatte? Schließlich war die Tat in viel zu vielen Megapixeln klar und deutlich festgehalten. Wie viel Gewicht würde die unbestätigte Aussage eines einzigen Zeugen gegen die erdrückende Beweislast der Bilder haben?
    Lethe war sich völlig im Klaren darüber, dass diese Aussage weniger als wertlos sein würde – es sei denn, die betreffende Person hatte die Segnungszeremonie mit dem Handy oder einer Digicam gefilmt und die Wahrheit in Bits und Bytes gebannt.
    Lethe war kein Spielertyp, aber ihm war auch so klar, dass man auf diese Gewinnchancen nicht sein Leben verwetten sollte.
    Das war war eine grobe Zusammenfassung der Schwierigkeiten, in denen Konstantin nun steckte, und kein Gefallen auf der ganzen Welt konnte die Beweiskraft von zweitausend Augenzeugen aushebeln, wenn Lethe nicht einen konkreten Gegenbeweis finden konnte.
    Also suchte er weiter.
    Er vergrößerte die Bilder auf seinen Monitoren so weit es möglich war, ohne unansehnliche Pixelmosaike aus ihnen zu machen, auf denen man keine Details mehr erkennen konnte. Diesmal richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Zuschauer anstatt auf die Bühne, er suchte nach der Digitalkamera, mit der vielleicht die Wahrheit aufgezeichnet worden war. Es war die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen, aber ihm fiel keine Alternative dazu ein.
    Frost würde bald wieder hier sein. Die Rückfahrt würde höchstens zwei oder drei Stunden dauern – wahrscheinlich eher zwei, wenn man die Uhrzeit, den geringen Verkehr und die Art bedachte, wie Frost das Monster zu fahren pflegte.
    Und er dachte immer noch über den dritten Anruf von Devere nach. Der erste nach Genf war offensichtlich eine umgelenkte Warnung an den Dolchmann gewesen; der zweite hatte die Schaltuhr des Scharfschützengewehrs in Gang gesetzt. Der dritte Anruf, der beim großen Mutterschiff in London, ergab immer noch keinen Sinn für ihn.
    Er drehte die Musik lauter; das half ihm, sich zu konzentrieren. Der Sänger der Gin Blossoms beklagte, dass die Vergangenheit vorbei war und er seine einzige Chance bei der heißen Schnecke damals vergeigt hatte. Deswegen – und weil er die letzten Stunden nur die Schreie der Menschen in Koblenz und den Knall des Scharfschützengewehrs im Ohr gehabt hatte – hörte Jude Lethe die gedämpften Schüsse nicht, die von oben erklangen.
    Sir Charles hingegen hörte sie schon.
    Selbst gedämpft waren es unverkennbar Schüsse – ganz abgesehen davon, dass es kein Auto gab, das hier in der idyllischen britischen Provinz eine Fehlzündung gehabt haben könnte. Die Hauptstraße nach Ashmoor lag zu weit entfernt, als dass man ihre Geräusche über die Hecken und Moore hinweg, und durch den Waldstreifen und die dicken Steinmauern von Nonesuch, hätte hören können. Nein, es hatte sich eindeutig um zwei Schüsse gehandelt, und genauso eindeutig waren sie fehl am Platz in der nächtlichen Stille des Anwesens.
    Der Alte richtete sich in seinem Bett auf und zerrte an seinen Beinen, bis sie den Boden berührten. Der Rollstuhl stand direkt neben dem Bett, aber es war dennoch eine Qual, ihn zu erreichen. Er streckte die Hand aus, griff nach dem Rahmen und zog ihn näher zu sich heran. Als der Stuhl gegen das Bett stieß, richtete er sich langsam daran auf. Jeder Muskel in seinen Armen zitterte vor Anstrengung, als er sein Körpergewicht in Richtung der Beine verlagerte, die ihn nicht trugen. Dann drehte er sich schnell herum und landete hart auf dem Stuhl. Er fiel mehr, als dass er sich setzte.
    Schweiß lief dem alten Mann über das Gesicht.
    Er warf einen suchenden Blick durch das Zimmer. Sein

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