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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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zugeben. Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage, aber Bruce Wayne ist doch kein Krüppel?“
    „Die Wahrheit ist manchmal verrückter als die Fiktion, sagt man nicht so?“
    „Das sagen wahrscheinlich dieselben Leute, die behaupten, dass das ganze Haus eine Todesfalle sei, und dass sie den Zünder zur Sprengung in die Armlehne Ihres Rollstuhls eingebaut haben.“
    „Das wäre mein nächster Versuch gewesen“, sagte der Alte. Er lächelte und bemühte sich nach Kräften, so ruhig wie möglich zu wirken, obwohl sein Herz fast so schnell raste wie seine Gedanken. Er wollte mit diesem Gespräch Zeit kaufen – doch sobald er das geschafft hatte, musste er sich überlegen, was er damit anfangen wollte.
    „Genug geredet“, sagte sie, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. „Wollen Sie dem Tod ins Auge blicken oder lieber mit dem Rücken zu mir sitzen bleiben? Manchen Menschen ist es lieber, wenn sie das Ende nicht kommen sehen.“
    „In Anbetracht der Tatsache, dass ich Sie in beiden Fällen sehen kann, weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob das einen großen Unterschied macht. Genauso gut könnten Sie mich fragen, ob bei meiner Beerdigung der Sarg offen oder geschlossen sein soll. Wenn Sie mir in den Hinterkopf schießen, habe ich eine große Austrittswunde im Gesicht; wenn ich die Kugel zwischen die Augen kriege, wird mir der Hinterkopf weggeblasen. Das macht nun wirklich keinen Unterschied, ich werde so oder so tot sein.“
    „Das ist richtig“, stimmte sie ihm zu.
    „Bringen wir es hinter uns, in Ordnung? Ich glaube, ich würde gern in ein hübsches Gesicht blicken, wenn ich sterbe. Nennen Sie mich ruhig einen alten Narren, aber ich hatte schon immer eine Schwäche für einen bestimmten Typ Frau“, sagte Sir Charles und griff an die Schienen der Antriebsräder. Er zog eine nach hinten, drückte die andere nach vorn und begann, den Rollstuhl auf der Stelle zu drehen. Die enge Lücke zwischen dem Bett und dem Schreibtisch machte es ihm unmöglich, ganz zu wenden. Er wusste das. Das war der Grund, aus dem er den Stuhl in die Nische hineinmanövriert hatte.
    Noch bevor er ein Stück zurücksetzen konnte, begann das Telefon auf dem Tisch zu klingeln.
    „Ich nehme an, dass ich da nicht rangehen darf?“, fragte der Alte wehmütig.
    „Nein“, sagte sie. Sie schien über die Störung nicht sehr erfreut zu sein.
    „Dann kann ich wohl auch nicht sagen, dass das Läuten mich gerettet hat?“
    „Nein“, sagte sie wieder. „Keine Rettungen in letzter Sekunde. Wir haben schon zu viel geredet. Wenn Sie den Stuhl nicht umdrehen können, werde ich es tun.“
    „Ich schaffe das schon“, sagte der Alte, während er durch den Spiegel auf das Rembrandt-Gemälde hinter ihr blickte, den
Reuigen Judas
.
    Das Telefon hörte auf zu klingeln.
    Ronan Frost unterbrach die Verbindung.
    Es war das erste Mal in all seinen Jahren bei Ogmios, dass er in Nonesuch anrief und Lethe nicht innerhalb von wenigen Sekunden geantwortet hatte. Die Stille konnte nichts Gutes verheißen. Er sah zu dem Anwesen am anderen Ende des langen, gewundenen Weges hinüber. Wie immer brannten dort nur wenige Lichter. Die Autos standen noch genauso auf dem Kies, wie Orla und die Jungs sie vor einigen Tagen dort abgestellt hatten. Doch anstatt beruhigend zu wirken, ließ das den Hof wie einen Autofriedhof aussehen, wie einen Ort, den alte Sportwagen zum Sterben aufsuchten.
    Der Grund für seinen Anruf war ein Geländemotorrad, das halb im Gebüsch neben dem Weg versteckt war.
    Er würde zehn Sekunden für die Zufahrt brauchen, wenn er dem Monster die Sporen gab und den Kiesweg aufriss. Wenn er rannte, würden es zwei Minuten sein, aber dafür wäre er fast völlig lautlos. Er gab der Lautlosigkeit den Vorzug gegenüber der Geschwindigkeit. Falls jemand in das Anwesen eingedrungen war, wollte er sich nicht mit großem Getöse ankündigen, auch wenn wenige Sekunden über Leben und Tod entscheiden mochten. Das Motorgeräusch konnte ebenso gut dafür sorgen, dass noch mehr Menschen getötet wurden. Der Alte war schlau. Er würde nicht ohne ein Tänzchen untergehen. Und Lethe hatte den Keller mit hoher Wahrscheinlichkeit zu seinem persönlichen Schutzraum ausgebaut.
    Frost trat den Ständer nach unten und schaltete den Motor der Ducati aus. Dann zog er seine Lederjacke aus, sie schränkte seine Bewegungsfreiheit ein. Die Zeit, die er brauchte, um sie abzulegen, würde er durch den schnelleren Sprint über den Rasen leicht wieder wettmachen. Er suchte

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