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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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ablas, nickte er, als ob die Stunden und Minuten ihn darin bestätigt hätten, dass es tatsächlich zu spät war.
    „Das habe ich schon“, sagte Noah. „Sieh dich um, wo willst du noch hin? Es ist vorbei.“
    Der Terrorist schüttelte den Kopf. „Nein, Sie haben aus mir einen Märtyrer gemacht, den ersten Heiligen des neuen Messias, den ersten Engel von Judas. Das ist alles, was Sie geschafft haben. Sie haben verloren. Sie haben alles verloren. Und das haben Sie auch noch ausgerechnet hier getan, dafür möchte ich Ihnen herzlich danken.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und schien fast zu hüpfen, von einer neuen Bestimmung beflügelt, dann nahm er zwei Schritte Anlauf, stieß sich kräftig ab und sprang über das Geländer. Einen Herzschlag lang schien er zu fliegen, ohne Flügel, nur von der Luft getragen. Dann fiel er.
    Noah sprang nach vorn, er streckte die Hand aus, in der er immer noch die Pistole hielt.
    Es war eine hoffnungslose Geste.
    Das Geräusch des Aufpralls, Fleisch auf Stein, warf ein widerliches Echo durch den gesamten Innenraum des Petersdoms.
    Noah beugte sich über das Geländer der Empore und sah nach unten, obwohl er genau wusste, welcher Anblick ihn erwarten würde.
    Eine dunkelrote Pfütze breitete sich um den toten Mann herum aus und befleckte den geweihten Boden.
    Das Blut des Märtyrers umgab seinen zerstörten Kopf wie ein Heiligenschein.
    Noah fielen keine Schimpfworte mehr für ihn ein.
    Er stützte sich schweratmend auf das Geländer. Das einzige Geräusch in der Stille, war das seines eigenen, unregelmäßigen Atems.
    Priester und Soldaten begannen sich um den toten Mann zu scharen. Die Arme und Beine waren verdreht, gebrochen und obszön abgespreizt, doch seine Augen blickten starr nach oben zur gewölbten Decke, sie blickten genau auf Noah. Der Tote sah nicht wie ein Heiliger oder wie ein Engel aus. Er sah aus wie ein toter Terrorist.
    Noah kehrte den blicklosen Augen und dem Blut den Rücken zu.
    Er wollte Antworten, doch egal, wo er suchte, er fand nur noch mehr Fragen.
    Die letzte Spur, die er jetzt noch hatte, war der Blick, den der Tote und der Priester ausgetauscht hatten. Er schaute nach oben zur Decke und sagte: „Die lässt du mir doch bestimmt, oder?“
    Er schob sich an den Ratten vorbei, die auf der Empore hinter ihm ausgeschwärmt waren. Dann machte er sich auf die Suche nach Abandonato, und nach der Wahrheit.
    Er fand nur eins von beidem.

27
NIRGENDS IST ES SICHERER ALS ZU HAUSE
    Jude Lethe sah sich in gestochen scharfer Farbe immer und immer wieder an, wie das Geschehen sich vor ihm entfaltete. Die Kameras des deutschen Fernsehens hatten die Ermordung des Papstes aus drei verschiedenen Blickwinkeln festgehalten, und aus keinem davon sah es für Koni besonders gut aus. Lethe stoppte das Video bei dem Bild, in dem das erste Aufblitzen des Silbers im Abendlicht zu sehen war. Es war schwer zu sagen, wo der Dolch plötzlich herkam, er war kein Experte für Körpersprache. Er wusste zwar, dass der Schweizergardist direkt neben dem Heiligen Vater ihn unter den Falten seiner clownshaften Rüstung versteckt gehalten hatte – das zu beweisen war allerdings eine ganz andere Geschichte.
    Plötzlich waren zwei ihrer Leute außer Gefecht gesetzt, und der Alte konnte nichts dagegen unternehmen. Seine Hände waren durch dasselbe Mandat gebunden, das ihnen sonst ihre absolute Bewegungs- und Handlungsfreiheit gewährte. Sir Charles konnte weder beim Außenministerium vorsprechen, noch konnte er die britische Botschaft in Berlin verständigen. Ogmios existierte laut den offiziellen Aufzeichnungen nicht. Sie hatten keinen Anspruch auf Rückholung. Deshalb würde die Botschaft keine Auslieferung für Konstantin beantragen, und aus demselben Grund würde es keinen bewaffneten Angriff geben, um Orla zu befreien. Sie waren abstreitbar. Sie hatten es zwar für Königin und Vaterland vermasselt, aber das spielte nicht die geringste Rolle. Sie hatten es vermasselt, darauf ließ es sich reduzieren.
    Konstantins Bild war in allen Nachrichten zu sehen; er war der Hauptverdächtige für die Ermordung des Papstes. Das BKA würde auf ein beschleunigtes Verfahren drängen, um der Gerechtigkeit schnell zum Sieg zu verhelfen. Man würde keinen Wert auf einen internationalen Zwischenfall legen. Man würde auch nicht wollen, dass er für den Prozess an das Vereinte Königreich ausgeliefert wurde. Die Tat war auf deutschem Boden begangen worden, also würde man sich auch auf deutschem Boden um die

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