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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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die Geländemaschine kurz nach Hinweisen auf ihren Besitzer ab. Er konnte nichts entdecken, aber er hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet. Nach mehreren Tagen ohne Regen war die Erde auf dem Weg trocken und hart geworden, er glaubte dennoch, eine relativ frische Fußspur erkennen zu können. Er zog die Browning und sprintete über den Rasen. Mit erhobenem Kopf warf er ständig schnelle Blicke nach rechts und links, um nach dem Eindringling Ausschau zu halten. Der unbeantwortete Anruf bedeutete, dass er schon im Haus gewesen war, aber das schloss die Möglichkeit nicht aus, dass er sich schon wieder auf dem Rückweg befand. Es gab genug dunkle Ecken hier, in denen sich jemand verstecken konnte. Viel zu viele dunkle Ecken. Die Strahler waren zwar eingeschaltet, aber sie erhellten nur die Zufahrt, die sich wie eine Schlange aus der Dunkelheit wand.
    Nach der Hälfte der Strecke über das Gelände atmete er schwer. Sein ganzer Körper schmerzte von der Schinderei der letzten Tage.
    Durch den Säulengang hindurch sah er, dass die Vordertür offen stand.
    Ein dunkler Schatten lag im Durchgang auf dem Boden. Als er näher herankam, wurde aus dem Schatten ein Umriss, und aus dem Umriss wurde ein menschlicher Körper, gekleidet in einen tadellosen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, weiße Handschuhe und einen Querbinder. Mitten auf Maxwells Stirn war ein Einschussloch, das wie das Auge eines Zyklopen aussah. Die Verletzung war klein und blutete nur wenig. Pulververbrennungen säumten ihren Rand. Die Waffe war dicht an die Stirn des Butlers gehalten worden. Sein Gesicht trug diesen völlig verblüfften Ausdruck, der jeden Toten seiner Würde beraubte. Selbst im Tod sah Max noch aus, als ob jedes einzelne seiner Haare sorgfältig an Ort und Stelle gekämmt wäre.
    Frost kniete sich neben der Leiche seines Freundes nieder und schloss ihm die Augen. Dann machte er einen großen Schritt über ihn hinweg und betrat das Haus.
    In Nonesuch herrschte die gespenstische Stille, die er schon oft in Häusern erlebt hatte, in denen vor Kurzem jemand zu Tode gekommen war. Es war fast, als ob die alten Gemäuer sich der Tragödie bewusst wären, die sich hier ereignet hatte. Frost schlich durch die Eingangshalle und lauschte in die Stille. Er konnte gerade noch den Klang von Stimmen wahrnehmen. Die alte Standuhr, die gegenüber des Schachtischs am Kamin stand, zeigte ihm die Uhrzeit an. Der Alte würde mittlerweile auf seinem Zimmer sein. Das alte Herrenhaus war zwar ein Labyrinth aus Zwischengeschossen, versteckten Dienstbotentreppen und kleinen Küchen, der Alte benutzte allerdings nur einen Bruchteil der Räumlichkeiten. Der Rollstuhl band ihn an das Erdgeschoss; die Gewohnheit band ihn an eine Handvoll Räume darin.
    Frost schob sich geduckt durch die Halle.
    Die Stimmen waren verstummt.
    Es wäre ihm lieber gewesen, wenn er sie noch gehört hätte. Nur die Toten waren still. Solange die Stimmen noch sprachen, war fast alles in Ordnung mit der Welt.
Bitte, lass sie weitersprechen
, betete er still, ohne genau zu wissen, zu wem. Er ging lautlos zur Tür des Besprechungsraums und tippte seinen persönlichen Zutrittscode in den Ziffernblock. Die korrekte Eingabe des Codes wurde mit einem elektronischen
Piep
quittiert, das viel zu schrill und laut durch die Stille drang. Realistisch betrachtet war ihm klar, dass das Geräusch nicht bis in die oberen Stockwerke tragen würde, das hielt ihn allerdings nicht davon ab, sich auf die Unterlippe zu beißen und die Tür fast schmerzhaft langsam zu öffnen.
    Frost schlüpfte hindurch und schloss die Tür vorsichtig wieder hinter sich.
    Der Raum war leer. Die großen Bildschirme zeigten entweder Bilder von Konstantin Khavin, der sich gerade auf den Papst stürzte, oder die schattenverhangene Silhouette von Orla Nyrén, die nackt und an die Wand gekettet in einer dunklen Gefängniszelle stand. Frost sah diese Bilder zum ersten Mal, sie raubten ihm einen Moment lang den Atem. Er wollte etwas unternehmen. Irgendetwas. All seine Instinkte schrien auf. Das waren seine Leute, sein Team, und sie steckten bis zum Hals in Schwierigkeiten. Offenbar war Noah gerade der einzige, der keine größeren Probleme hatte – und das passte überhaupt nicht ins Bild, wenn man den gewöhnlichen Lauf der Dinge betrachtete.
    Der verborgene Zugang zu Lethes Höhle war immer noch geschlossen. Es war nicht der einzige Weg nach unten, aber wenn er sich nach unten schleichen wollte, um eine Rettung zu inszenieren, war es

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