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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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auf dieser fundamentalen Wahrheit aufgebaut. Er wollte eine Heimat für die jüdischen Siedler schaffen. Die PLO hatte aus diesem Grund seine Frau umgebracht, doch das hatte seine Entschlossenheit nur noch gesteigert.
    Sie verstand Schnurs Rolle in diesem kleinen Triptychon. Er war der Idealist, dem man die Erfüllung seines Herzenswunsches angeboten hatte.
    Fast hätte Orla Mitleid mit ihm gehabt.
    Wenn Schnur also der Idealist war, ließen sich die restlichen Rollen leicht verteilen. Miles Devere war der Opportunist. Mit dem Tod konnte man Geld verdienen – das war schon immer so gewesen – und seine ersten Geschäfte hatte er in Israel getätigt, in genau den Gebieten, wo Schnur den Juden eine Heimat schaffen wollte. Er verstand die Menschen, die Politik und die Bedürfnisse der Region. Wer wäre ein besserer Kandidat für den Wiederaufbau der Infrastruktur gewesen als er, wenn der Rauch sich verzogen hätte? Und wer hätte ein besserer Architekt für das neue Monument sein können, das man dem Messias Salomon errichten würde? Vielleicht hatte er Devere mit dem Versprechen gelockt, für ihn den Letzten Tempel bauen zu dürfen? Er wäre mit Sicherheit das bedeutendste Bauwerk der Neuzeit – und ein guter Anreiz für einen Mann wie Devere, dem Geld und Macht allein nicht mehr genügten.
    Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Schluss, dass sie Miles Devere unterschätzt hatten. Seine Beteiligung an diesem Unterfangen hatte einen sehr bitteren Beigeschmack. Sie erinnerte sich an die großen Summen auf dem Schweizer Bankkonto, eingezahlt von der Silverthorn Trust, und abgehoben von Caspi oder Salomon oder wie auch immer er heißen mochte. Sie erinnerte sich an Humanity Capital und deren Vorgehensweise, aus Gewinnsucht Unruhen anzustiften und Kriege anzuzetteln, und damit hatte sich das letzte Teil in das Puzzle eingefügt. Devere war kein unschuldiger Geschäftsmann, der sich von Salomons idealistischen Argumenten hatte überzeugen lassen, er war der große Geldgeber. Er finanzierte diesen Krieg für das neue Israel, er pumpte Geld in die Kassen der Dreizehn Schreie, mit der Gewissheit, dass er für jeden einzelnen Dollar fünfmal, achtmal, sogar zehnmal so viel zurückbekommen würde. Das war schließlich sein Geschäft: Er handelte mit Krieg und mit dem Leid der Menschen.
    Ihr entging nicht die Ironie, dass die Sache des Judas wieder für den Gewinn anderer Leute ausgeschlachtet wurde. Von Deveres Standpunkt aus hatte das alles nämlich nichts mit Glauben zu tun, ihm ging es nur ums Geld. Die dreißig Silberstücke gehörten ihm.
    Sie lehnte sich zurück. Sie konnte nun alle Zusammenhänge klar erkennen.
    Damit blieb für Salomon die Rolle des Fanatikers übrig. Er war der Mann, der fest an alles glaubte – den gebrochenen Glauben, die falsche Kirche, die Verleumdung von Judas. Und vor allem glaubte er, die Wahrheit darüber zu wissen, was es hieß, ein Messias zu sein: Es hatte nichts damit zu tun, ob man der Sohn Gottes war oder nicht.
    Das machte ihn zweifelsohne zum gefährlichsten dieser drei Raubtiere, weil man einem Mann wie ihm nicht mit vernünftigen Argumenten beikommen konnte. Die Denkweise eines Fanatikers hatte schon der Definition nach nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun. Sie hielten ihre Augen absichtlich verschlossen, um keine Alternativen zu ihrem Handeln sehen zu müssen. Wenn sie gute Redner waren, konnten sie andere Menschen dicht an die lodernde Flamme ihrer Besessenheit heranlocken; aber auch das hatte nichts mit Vernunft zu tun, es war nur ein kurzer Handel mit ihrem Wahnsinn. Und Salomon war wahnsinnig, so viel konnte man wohl getrost sagen. Er mochte seine Rolle in der Öffentlichkeit noch so perfekt spielen – und er konnte wirklich sehr überzeugend sein, wenn er wollte – aber unter der Oberfläche war er rettungslos verloren. Das machte ihn umso furchteinflößender. Ein Mann wie er würde vor nichts haltmachen, um seine Vision von einem neuen Jerusalem wahr werden zu lassen, von einem neuen, anerkannten Staat für das Volk des Einen Glaubens, für jetzt und in Ewigkeit. Einem Mann wie ihm wäre es gleichgültig, wenn er die katholische Kirche und alle anderen Religionen vernichten musste, die sich nicht der Herrlichkeit des Menschen verschrieben hatten. Die Symbole dieser Religionen, und die des Ketzertums, waren für einen Mann wie ihn das Salz in der Suppe des religiösen Wahns. Das gehörte zu seinem Messiaskomplex.
    Sie hatte das Gefühl, dass

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