Silber
haben Sie zu dem Anschlag auf Rom, und zu den Märtyrern, die sich in London und den anderen Städten lebendig verbrannt haben? Wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt des Bildes, Konstantin. Helfen Sie uns, das ganze Bild zu sehen. Sprechen Sie mit uns. Wenn Sie uns helfen, können wir Ihnen auch helfen.“
Sie war wenig überzeugend. Sie spielte nicht in der Oberliga, überlegte Konstantin, während er ihr zuhörte. Genauso wenig wie ihr Partner. Sie waren die Brecher, die Wellen, die an der Küste zerschellten, um ihn mürbe zu machen. Es war nicht ihre Aufgabe, die Wahrheit aus ihm herauszuholen. Sie sollten lediglich seinen Widerstand schwächen. Sie waren gewissermaßen das Thiopental in Menschengestalt.
Aber sie konnten ihm noch so viele Fragen stellen, sie konnten ihm drohen und ihn ausquetschen – sie würden ihn nie bei einer Lüge ertappen, denn er erzählte keine Lügen.
Vielleicht konnte er ihnen doch etwas geben.
„Wollen Sie noch eine Wahrheit hören?“
Die Frau nickte eifrig, wie ein Pavlovscher Hund beim Klang der Glocke.
Konstantins Gedächtnis war gut – das musste es auch sein. Er erinnerte sich an das Null-Kennzeichen des Wagens in Berlin.
Er nannte es ihnen. Jetzt lag es an ihnen, was sie damit anfangen wollten.
„Wem gehört dieser Wagen? Ihrem Boss? Ihrem Kontaktmann?“
Konstantin zuckte mit den Achseln. „Woher soll ich das wissen? Aber auch dieses Auto gehört mit dazu. Alles ist miteinander verbunden.“
„Soll das eine buddhistische Weisheit sein?“, fragte der Mann.
„Wenn Sie den Eigentümer des Wagens finden, finden Sie die Zelle von Berlin. Alles ist miteinander verbunden.“
Die Frau warf einen Blick zum Spiegel. Konstantin wusste, dass hinter der Scheibe ein Team von Ermittlern gerade fieberhaft daran arbeitete, die Punkte miteinander zu verbinden, das Kennzeichen zurückzuverfolgen und herauszufinden, ob Konstantin die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatten keinen Grund zu glauben, dass er sie anlog, doch dafür hatten sie allen Grund zu glauben, dass er einen seiner Mitverschwörer ans Messer liefern würde. Nur so konnte man einzelne Terrorzellen knacken: Ein kleines Geständnis nach dem anderen. Doch selbst wenn Konstantin ihnen den Mann liefern konnte, der hinter dem Anschlag von Berlin steckte, würde das kaum seine Unschuld beweisen. Es würde sie viel eher in der Annahme bestätigen, dass er tief in die Geschichte verwickelt war.
„Wenn Sie die Terroristenzelle in Berlin finden, finden Sie vielleicht auch die von Rom, London, Madrid oder Paris. Alles ist miteinander verbunden. Die Informationen fließen nur durch bestimmte Kanäle, man kann sie nicht einfach aus der Luft pflücken. Es gehört alles zusammen. Es kann gar nicht anders sein, weil alles so präzise geplant ist. Die Selbstmörder haben sich alle zu genau demselben Zeitpunkt verbrannt. Der Giftmischer von Rom wusste genau, wann er das Wasser für die größtmögliche Wirkung verseuchen musste. Er wollte nicht, dass die Menschen zu früh sterben, weil die Todeszahlen von seinem Anschlag sonst mit denen von Berlin zusammengefallen wären. Und er wollte nicht, dass zu viele von seinen Opfern am selben Tag wie der Papst sterben. Die Anschläge mussten sich der Reihe nach ereignen. Vierzig Tage und vierzig Nächte der Angst, verstehen Sie?“
Diese Zeitspanne war noch nicht abgelaufen. Mabus hatte ihnen vierzig Tage des Terrors versprochen, und Konstantin fiel kein Grund ein, warum der Tod des Papstes an diesem Versprechen etwas ändern sollte. Jetzt war der ideale Zeitpunkt, um die Stärke der Angriffe zu erhöhen. Es spielte keine Rolle mehr, ob sie ihn für schuldig hielten oder nicht. Wenn er ihnen dabei helfen konnte, das Leben unschuldiger Menschen zu retten – und sei es nur durch dieses Autokennzeichen –, dann würde Konstantin es tun, auch, wenn er damit sein eigenes Schicksal besiegelte. Das war sein Opfer.
Die Frau kam das nächste Mal allein zurück. Sie brachte ihm einen Becher heißen, schwarzen Kaffee mit. Es handelte sich dabei um ein Tauschobjekt, das war ihm klar. Sie gab ihm das heiße Getränk, und er erzählte ihr dafür eine weitere Wahrheit. Eine Hand wäscht die andere. Sie spielten das Guter-Bulle/Böser-Bulle-Spiel wie aus dem Lehrbuch.
Doch er beschwerte sich nicht. Er wärmte erst seine Hände an dem Becher, dann trank er langsam einen Schluck.
„Heute Morgen ist die Leiche eines Mannes in der Mosel gefunden worden.“
Konstantin sah zu ihr auf. „Und jetzt glauben
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