Silber
Glaubens hinzu, die nicht zugeben wollen, dass sich auf ihrem Boden tatsächlich ein Verbrechen ereignen könnte, und Sie erhalten ein vatikanisches rechtliches Fiasko. Es ist immer eine Portion mehr als der normale Ärger. Was soll ich sagen? Sobald man die Grenze zur Vatikanstadt überschreitet, fliegt der gesunde Menschenverstand im hohen Bogen aus dem Fenster.“
„Ich habe gehört, dass das passieren kann, wenn Gott im Spiel ist“, sagte Noah. „Aber es gibt die rechte Zeit für Papierkram, Neri, und es gibt die Zeit für einen kräftigen Tritt in den Arsch. Wir sind schon weit jenseits davon, irgendwelche Antragsformulare auszufüllen. Ich will Ihnen ein kleines Geheimnis verraten: Manchmal ist es deutlich einfacher, sich nachher zu entschuldigen, als sich vorher eine Erlaubnis einzuholen.“
Neri blickte ihn mit seinem weltmüden Gesicht an, als ob er ihn fragen wollte:
Meinen Sie das etwa ernst?
Und als er merkte, dass dem so war, wurde er sehr still.
Noah konnte fast seine Gedanken lesen:
Sie fliegen morgen nach Hause zurück, ich nicht. Die ganze Scheiße, die wir heute bauen, wird mir den Rest meines Lebens nachhängen
. Das hätte Noah zumindest gedacht, wenn er an Neris Stelle gewesen wäre.
Gianni Abandonato war verzweifelt. Bei jedem dritten Schritt begann er fast zu rennen, so sehr beeilte er sich. Der Verkehr spielte nicht zu seinen Gunsten, nirgends auf den Straßen war ein Taxi zu sehen. Letzten Endes musste er die ganze Länge der Via del Circo Massimo entlanglaufen, die Soutane hielt er dabei über die Knie hochgezogen. Nichts an seinem Eillauf war elegant oder glorreich. Er blickte starr geradeaus, Schweiß lief ihm über das Gesicht, während er rannte. Er atmete wild und unkontrolliert. Er war körperlich nicht besonders fit. Er lebte in der Bibliothek; seine größten körperlichen Anstrengungen bestanden normalerweise darin, ein Buch aus dem Regal zu nehmen und dessen Seiten umzublättern. Als er die Palatino-Brücke erreichte, fiel er auf die Knie. Er keuchte und japste und kämpfte sich dann mühsam wieder auf die Beine, um weiterzulaufen.
Die Angst trieb ihn an.
Er hätte im Büro der Corpo della Gendarmeria anrufen können, aber was hätte er sagen sollen? Ich habe das komplette Kardinalskollegium vergiftet? Das Konklave muss abgebrochen werden? Die Sixtinische Kapelle muss evakuiert werden? Sie hätten ihm nicht geglaubt, und am Telefon hätte er sie auch nicht davon überzeugen können. Er musste selbst dort sein. Sie mussten sein Gesicht sehen können. Dann würden Sie ihn verstehen.
Aber das Konklave würden sie trotzdem nicht beenden.
Er stand auf verlorenem Posten.
Er war sich dessen bewusst, aber das hielt ihn nicht davon ab, es trotzdem zu versuchen.
Er musste es tun – wenn schon nicht, um die Kardinäle zu retten, dann wenigstens, um sich selbst zu retten.
„
Confiteor Deo omnipotenti et vobis, fratres
“, murmelte er das Gebet, das seinen Lippen am Vertrautesten war. „
Quia peccavi nimis cogitatione, verbo, opere, et omissione: Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Ideo precor beatam Mariam semper Virginem, omnes Angelos et Sanctos, et vos, fratres, orare pro me ad Dominum Deum nostrum
.“ Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, und allen Brüdern und Schwestern, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, alle Engel und Heiligen, und Euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn.
Aber kein Schuldbekenntnis der Welt würde ihn erlösen, wenn er nicht verhindern konnte, dass das Feuer angezündet wurde.
Er konnte nicht klar denken. Es kostete seine ganze Kraft, die Füße zu bewegen und auf den Beinen zu bleiben. Als er die Villa Farnesina erreicht hatte, war er völlig erschöpft. Seine Beine zitterten bei jedem Schritt. Seine Muskeln schmerzten. Seine Lungen brannten. Er streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Immer wieder stolperte er an den Wänden der Häuser entlang, die von der Straße abgesetzt waren, doch er zwang sich weiter. Und er war immer noch weit vom Petersplatz entfernt. Er bedauerte nun, dass er gerannt war, aber er konnte nicht stehen bleiben. Er wusste, was für einen Anblick er einem zufälligen Beobachter bieten musste. Er sah nicht aus wie ein Held, der auf dem Weg war, die Welt zu retten.
Er taumelte
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