Silber
weiter.
Dominico Neri schritt auf das Gebäude der Schweizergarde zu und zeigte die Dienstmarke, die ihn als Carabiniere identifizierte, als ob sie die Schranke auf wunderbare Weise für ihn öffnen würde. Das tat sie nicht. Der Gardist warf nur einen flüchtigen Blick darauf und zuckte mit den Achseln, als ob er sagen wollte:
Und jetzt? Das beeindruckt mich nicht besonders
.
An der Station befanden sich vier Schweizergardisten.
Keiner von ihnen schien von der Kombination aus dem heißen Wetter und den schweren Uniformen besonders angetan zu sein.
Es handelte sich nicht um einen der Hauptzugänge. Wegen der gewaltigen Menschenmassen wäre es völlig sinnlos gewesen, sich dem Petersdom frontal nähern zu wollen. Das wäre ein aussichtsloser Kampf geworden, und Dominico Neri war kein Fan von Kämpfen, die er nicht gewinnen konnte. Deshalb hatte er Noah zu einem Seiteneingang geführt. Es gab ein Schilderhaus, grimmig blickende junge Wachmänner und hinter der Schranke eine Straße, die auf einen Vorplatz mündete. Von diesem Platz aus verlor sich ein Dutzend verschiedener Wege zwischen den dichtgedrängten Gebäuden.
„Holen Sie mir den Generalinspektor“, verlangte Neri, während er dem jüngsten Gardisten fest in die Augen sah. Es war eine billige Einschüchterungstaktik, und das wusste er auch. Aber Noah hatte Recht gehabt; später würde noch genug Zeit dafür sein, um sich zu entschuldigen. Momentan genügte es völlig, dass der junge Wächter in Habachtstellung ging.
„Ihren Ausweis“, sagte einer der Gardisten neben ihm, er war ein bisschen älter und ein bisschen schwerer einzuschüchtern als sein Kamerad. Und er gab sich nicht mit einem flüchtigen Blick auf die Marke zufrieden, er streckte seine Hand danach aus. Neri gab ihm seinen Dienstausweis. Dann richtete der Gardist seinen Blick auf Noah.
„Ich habe keinen“, sagte er. „Ich werde aber trotzdem hineingehen. Also warum öffnen Sie nicht einfach gleich die Schranke und ersparen uns allen damit eine Menge Zeit und Ärger?“
Seine flapsige Art gefiel dem Soldaten nicht besonders.
Der Gardist, der Neris Ausweis entgegengenommen hatte, verschwand damit im Wachhaus. Zweifelsohne rief er gerade beim Kommando der Carabinieri an, um sich Neris Identität bestätigen zu lassen, dann würde er mit seinen Vorgesetzten sprechen und sich einen Grund holen, um sie wegschicken zu können. Ein paar Minuten später kehrte er mit einem schnurlosen Telefon in der Hand und einem Gesichtsausdruck zurück, der so viel hieß wie
Das war’s dann wohl
. Er reichte Neri das Telefon und postierte sich so, dass er ihm den Weg versperrte.
Man würde sie nicht einlassen, das wusste Neri schon, als er das Telefon ans Ohr hob.
Doch noch bevor er ihren Fall dem Offizier am anderen Ende der Leitung auseinandersetzen konnte, duckte Noah sich unter der Schranke hindurch und sprintete über den Vorhof davon.
Einer der Wächter zog seine Pistole und zielte damit auf Noahs Rücken.
„Wagen Sie es ja nicht, Soldat!“, bellte Neri, und schlug ihm den Arm zur Seite. „Der Mann ist vom britischen Geheimdienst!“ Er wusste nicht, welche Wirkung seine Worte haben würden.
Mit der Reaktion des jüngsten Soldaten hatte er allerdings nicht gerechnet. Der sah ihn mit großen Augen an, sagte in einem einzigen schnellen Atemzug: „Wie James Bond 007 mit der Lizenz zum Töten?“, und setzte dann Noah nach, als ob jemand ein Feuer unter seinem Hintern angezündet hätte.
Einen Moment lang glaubte Neri, dass der Soldat Noah aufhalten wollte. Dann begriff er, dass er vorhatte, ihn bei seiner Mission zu unterstützen, so gut er konnte. Er schüttelte den Kopf. Die Torheit der Jugend war immer wieder für eine Überraschung gut.
Noah wusste nicht , wohin er rannte.
Er rannte einfach.
Der Vatikan war ein einziges Labyrinth aus kleinen Wegen, überwachsenen Alleen und kurvigen Seitenstraßen, die ein verwirrendes Netz durch die Kapellen und Wohngebäude in dieser seltsamsten aller Städte woben.
Er versuchte, über den Dächern den Kamin der Sixtinischen Kapelle ausfindig zu machen, um sich daran orientieren zu können. Doch es war zwecklos.
Er hörte das Klatschen von schweren Schritten auf dem Pflaster hinter sich und warf einen Blick über die Schulter. Der junge Wächter von der Schranke hielt beim Laufen seine Beretta weit vom Körper gestreckt, als ob er Angst hätte, dass sie ihn beißen würde. Einen Moment lang glaubte Noah, dass er ihn aufhalten wollte, und er drehte
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