Silber
passieren? Können Sie sich das vorstellen? Überlegen Sie es sich mal von der anderen Seite. Wird die Schwierigkeit des Unterfangens durch den Effekt wieder wettgemacht? Wenn das so ist, dann muss es die Sache wohl wert sein, oder? Die Sixtinische Kapelle anzugreifen, während gerade der neue Papst gewählt wird, würde Schockwellen um die ganze Welt jagen. Sie wollen Angst und Schrecken verbreiten? So können Sie wahre Angst auslösen! Sie wollen den Glauben der Menschen brechen? So schaffen Sie es! ‚Wie konnte Gott nur zulassen, dass das geschieht?‘ Sie können die Menschen das jetzt schon fragen hören, nicht wahr? Sie können sie dort draußen auf dem Platz sehen, mit ihren Rosenkränzen in der Hand, wie sie weinen und zum Himmel beten. Mit einem Angriff auf die Kardinalsversammlung wären auf einen Schlag mehr als hundert der frömmsten und heiligsten Katholiken ausgelöscht.
Wir können diesen Gedanken noch weiter spinnen: Was wäre, wenn das große Ziel gar nicht der Papst als Person war, sondern stattdessen das heilige Amt des Papstes?“
Dominico Neri starrte Noah durchdringend an. „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mir wünsche, Ihnen nie begegnet zu sein.“
„Das sagten Sie bereits. Aber Sie wissen auch, dass meine Vermutungen mehr als plausibel sind.“
„Bedauerlicherweise ja. Es ist zwar nicht schön, aber es ergibt einen gewissen Sinn.“
„Sie müssen mich irgendwie da hineinbringen.“
„Das kann ich nicht. Während des Konklaves kommt niemand hinein oder hinaus.“
„Die Vorschriften sind mir scheißegal, Neri. Ich will nur diesen Menschen das Leben retten. Wenn alle in Sicherheit sind, lasse ich mir gern auf die Finger klopfen, weil ich die Regeln gebrochen habe. Ok, ich kenne den Ablauf der Zeremonie nicht. Erklären Sie mir, was da drinnen gerade vor sich geht. Ich brauche einen Ansatzpunkt, wie Abandonato seinen Anschlag durchführen will.“
Neri nahm seine Tabakdose aus der Tasche und drehte sich langsam eine Zigarette. Er zündete sie an und nahm einen Zug davon, bevor er antwortete. „Das Kollegium der Kardinäle trifft in der Sixtinischen Kapelle zusammen. Diese Kapelle gehört zu den bestgesichertsten Gebäuden im ganzen Vatikan. Von außen kann man sie nicht erreichen, man muss sich im Inneren des Heiligen Stuhls befinden. Wie ich schon sagte, es ist eine Festung. Die Kardinäle werden aus ihren Reihen denjenigen wählen, der die katholische Kirche in Zukunft führen soll, und bis sie ihre Entscheidung getroffen haben, bleiben die Türen verschlossen.“
„Gut, dann waren meine Vorstellungen nicht ganz falsch“, sagte Noah, der den Gedanken bis zu seiner logischen Schlussfolgerung weitergeführt hatte. „Also befinden sich alle Kardinäle der Welt in diesem einen Raum. Die heiligsten der heiligen Männer befinden sich alle am selben Ort.“
Der Römer sog wieder an seiner dünnen Zigarette. „Nein, nicht alle. Die ältesten, die Kardinäle über achtzig, verlieren das Recht, am Konklave teilzunehmen. Es müssten sich etwa hundertzwanzig der insgesamt hundertsechsundachtzig Kardinäle in der Kapelle aufhalten.“
„Gut, formulieren wir das anders, vom schlimmsten Fall ausgehend: Die einzigen, die übrig bleiben, haben entweder Alzheimer oder stehen schon mit einem Fuß und ein paar Zehen im Grab. Das macht es nicht viel besser.“
„Ihre Denkweise gefällt mir nicht im Geringsten.“
„Stellen Sie sich vor, Sie müssten jeden Tag damit leben“, erwiderte Noah. „Sie müssen mich irgendwie dort hineinbringen. Sie müssen. Egal, was es kostet. Wenn Sie Ihren Verbindungsmann darum anflehen müssen, flehen Sie.“
„Er ist nicht mein Verbindungsmann, wie Sie es ausdrücken. Das
Corpo della Gendarmeria
im Vatikan und die Carabinieri sind nicht gerade die dicksten Freunde. Das ist sogar gerichtlich so vereinbart. Wenn wir den Vatikan betreten, wäre das so, als ob fremde Kater in ihrem Revier Duftmarken setzen würden. Wir haben kein Recht, uns dort aufzuhalten. Und der Aufwand, den man betreiben muss, um das doch stattfinden zu lassen, ist ein wahrer Albtraum.“
„Sie haben eine Dienstmarke und eine Waffe, bringen Sie mich rein.“
„So einfach geht das wirklich nicht. Dies ist Rom, mein Freund, die Heimat der Bürokratie. Nehmen Sie Ihren schlimmsten behördlichen Albtraum, multiplizieren Sie ihn mit Tausend, und heraus kommt ein rechtliches Fiasko. Fügen Sie dem noch die Männer des
Weitere Kostenlose Bücher