Silber
war der Grund, warum er Frauen dafür bezahlte, das Bett mit ihm zu teilen. Wenn er starb, würde er sich in den feurigen Gruben der Hölle den Geistern stellen. Doch bis dahin wollte er jemanden neben sich atmen hören, als ob das sanfte Atmen eines Menschen neben ihm dem Tod erschweren würde, ihn zu finden.
Noah und Neri saßen wieder in ihrem Café, und sie tranken wieder einen starken, schwarzen Espresso. Auf dem Fernsehschirm lief eine der vielen Live-Reportagen, die über das Konklave berichteten. Die beiden unterhielten sich über den Juventus Turin, diverse Supermodels und schnelle Autos. Es war das unbeschwerte Gespräch zwischen zwei Männern, die auf dem Weg durch die Hölle Freunde geworden waren, und die es geschafft hatten, dieser Hölle gemeinsam wieder zu entkommen. Noah blickte auf seine Armbanduhr. Er hatte noch vier Stunden Zeit, bis die Gulfstream von Sir Charles startbereit war. Damit hatte er noch genug Zeit, um sich die atemberaubend schöne Stadt anzusehen – oder auch, um sich die atemberaubenden Schönheiten der Stadt anzusehen, die an dem Café vorbeispazierten. Noah entschied sich für die weniger energieraubende Option. Die römischen Frauen Mitte Zwanzig hatten es ihm irgendwie angetan. Er hatte gesehen, wie sie lachten und scherzten und so völlig von sich selbst eingenommen waren, wie es nur Frauen Mitte Zwanzig möglich war. Sie schienen die Welt um sie herum gar nicht wahrzunehmen. Er hätte sie stundenlang ansehen können. „Wirklich hübsch“, sagte er zu Neri.
„Dies ist Rom, mein Freund“, stimmte Dominico Neri ihm zu. „Hier sehen sogar einige der Gebäude sexy aus.“
Noah grinste. „Ich muss eines Tages wieder hierherkommen, wenn nicht gerade die Welt untergeht. Dann bringe ich ein bisschen Zeit mit, damit ich die natürliche Schönheit der Stadt auf den sieben Hügeln auch würdigen kann.“
„Ich habe eine Couch mit ihrem Namen darauf.“
Noah nahm ein Flackern auf dem Fernseher hinter Neris Schultern wahr und blickte überrascht auf. Das Gesicht auf dem Bildschirm erwiderte seinen Blick. Es war Akim Caspi. Salomon. Er hielt ein RTL-Mikrofon in der Hand und sprach.
„Stellen Sie den Ton an!“, rief Noah, während er seinen Stuhl vom Tisch zurückschob und aufsprang.
Neri drehte sich herum, um zu sehen, was Noah so in Aufregung versetzt hatte.
„Carabinieri! Stellen Sie den verdammten Ton laut!“, schrie Noah der Barista hinter der Theke zu. Sie schien nicht zu wissen, was sie tun sollte. „Geben Sie mir einfach die verfluchte Fernbedienung!“
Noah schob sich zwischen den Tischen hindurch, bis er direkt unter dem Fernsehgerät stand. Er konnte die Ansprache von Salomon kaum verstehen. Er würde sie in den nächsten Tagen immer und immer wieder hören, doch im Moment war sie nur ein schwaches Flüstern, bis die Barfrau endlich den Lautstärkeregler fand.
Neri stellte sich neben ihn.
„Noch kennt ihr meinen Namen nicht“, sagte Salomon zu ihnen durch die Fernsehlautsprecher, „aber schon bald werdet ihr ihn kennen. Ab heute wird er jeden Tag über eure Lippen gehen, bis zum Ende eures Lebens. Ich sage euch, dass die Grundfesten eurer Kirche auf Lügen und Tod errichtet sind. Sie ist nicht auf Petrus, dem Felsen, gebaut worden, sondern auf der Glorifizierung eines falschen Messias. Heute bringe ich den Tod zurück nach Rom. Fünfhundert Jahre lang hat Rom mein Volk gegeißelt. Die Römer haben mein Volk versklavt und aus seiner angestammten Heimat vertrieben. Die Römer haben sogar versucht, den Namen meines Volkes aus der Geschichte zu tilgen, so tief und brennend ist ihr Hass. Doch heute wird sich das ändern. Es war mein Dolch, der Petrus Romanus getötet hat. Diese Klinge ist aus den dreißig Silberstücken des Judas Iskariot geschmiedet. Die Münzen, mit denen der Tod eures Messias erkauft wurde, haben bis heute nichts von ihrem Wert verloren. Sie haben einen weiteren Tod erkauft, den des römischen Pontifex, und mit seinem Tod ist die Welt bereit für die Ankunft eines neuen Messias.“ Er starrte durchdringend in die Kamera. Sein schönes Gesicht war wie geschaffen für eine erfolgreiche Hollywood-Karriere.
Sein Bild wurde durch die grobkörnige Aufnahme von einer kleinen Spionagekamera ersetzt, die irgendwo in der Sixtinischen Kapelle versteckt sein musste.
Es dauerte einen Moment, bis Noah begriff, was er da sah.
Die Kardinäle waren alle tot.
Manche von ihnen waren gestorben, als sie auf Knien gebetet hatten, und starrten nun direkt in
Weitere Kostenlose Bücher