Silber
die Tiefen der Hölle hinab. Andere lagen auf dem Rücken und schauten mit blinden Augen zur Herrlichkeit des Freskos von Michelangelo auf, das ebenso unerreichbar war wie der Himmel selbst.
Salomons Gesicht erschien wieder auf dem Schirm.
„Ich bin Salomon. Merkt euch meinen Namen.“
Dann war er verschwunden, und die Kamera zeigte die Hauptfassade des Petersdoms. Einen Moment später wurde die Live-Übertragung erneut unterbrochen, und die grobkörnige Videoaufnahme von den toten Kardinälen in der Kapelle füllte wieder den Fernsehschirm. Noah drückte sich durch die Glastüren des Cafés hinaus in die steigende Hitze des Nachmittags. Es standen immer noch Tausende von Menschen dichtgedrängt auf dem Petersplatz. Er konnte den Übertragungswagen von RTL sehen. Er kämpfte sich zwischen den Leuten hindurch, um ihn zu erreichen.
Als er endlich dort ankam, war Salomon schon längst verschwunden.
Noah schlug mit der Faust auf die Seite des Anhängers.
Er war hier gewesen.
Er hatte inmitten all dieser Menschen gestanden und hatte verkündet, dass ihr Gott tot war.
Noah öffnete die Tür des Anhängers und kletterte hinein.
Die Nachrichtensprecherin lag tot und blutüberströmt in einem der Drehstühle, ihr Kameramann lag leblos zu ihren Füßen. Die Monitore zeigten allesamt das Bild aus dem Inneren der Kapelle. Er wusste nicht, wie er die Übertragung abbrechen konnte, also betätigte er solange alle Knöpfe und Schalter, bis das Bild schließlich erlosch.
Neri stieg hinter ihm in den Anhänger.
Er sah aus wie eine lebende Leiche. Er sprach schnelle Sätze auf Italienisch in sein Handy, dabei schüttelte er den Kopf und gestikulierte wild mit der freien Hand.
Noah nahm ihn kaum wahr.
Er hatte das Geschenk gefunden, das Salomon ihm hinterlassen hatte.
Die Frau hielt einen abgewetzten Lederbeutel in ihrer Hand umklammert. Noah löste ihn aus den toten Fingern und leerte seinen Inhalt aus. Dreißig Silberstücke rollten über das Panel mit den Monitoren. Ein Stück Papier fiel mit heraus. Noah entfaltete es. Die Nachricht war mit Blut geschrieben.
Alle Schulden sind beglichen
.
„Nicht einmal ansatzweise“, sagte Noah.
Er begann erst langsam zu begreifen, wie schrecklich er in Wahrheit versagt hatte.
Dominico Neri stand neben ihm und bekreuzigte sich.
• • •
»IN DER GESCHICHTE KANN ALLES PASSIEREN«
Vampire, Terroristen und Dan Brown Christian Endres im Gespräch mit Steven Savile
Die Autorenkarriere des in England geborenen, inzwischen jedoch in Schweden lebenden Steven Savile lässt sich am besten mit einem Wort beschreiben: Vielseitig. Immerhin hat Savile in den letzten Jahren viele verschiedene Projekte realisiert – Roman-Tie-Ins zu TV-Serien (»Primeval«, »Dr. Who«, »Stargate«), Hörbücher (»Torchwood«), Spielewelten-Romane (»Warhammer Fantasy«), Sachbücher (»Fantastic TV: 50 Years of Cult Fantasy and Science Fiction«) und diverse eigene Kurzgeschichten und Romane. Außerdem hat er vor einigen Jahren als Co-Herausgeber eine umfassende Sammlung von Fritz Leibers Horrorgeschichten betreut und dabei sogar ein paar bis dato unentdeckte Storys des fantastischen Altmeisters zu Tage gefördert. Saviles neuester Roman ist der Thriller »Silber«. Darin führt Savile ein global agierendes Agenten-Team ein, das im ersten Band gegen zu allem entschlossene Terroristen antritt, deren Kult bis auf das Erbe Judas’ zurückgeht und mit vierzig Tagen und Nächten der Angst und des Terrors eine neue Ordnung herbeiführen möchte.
Hallo Steven. Stellst du dich bitte noch mal kurz selbst vor und erzählst uns, wie du zum Schreiben gekommen bist?
»Silber« stellt sowohl im Beruflichen wie im Privaten so etwas wie einen Wendepunkt für mich dar. 2008 bin ich – mitten in der Korrekturphase für das Buchprojekt – 40 gewoden. Ich hatte mir einige Ziele gesteckt, als ich mit 21 Jahren ernsthaft mit dem professionellen Schreiben begonnen habe, und die Zahl 40 wog in den meisten von ihnen ziemlich schwer. »Ernsthaft« ist natürlich in dem Zusammenhang ein dehnbarer Begriff. Ich hatte zu der Zeit schon mehrere Anläufe gestartet: Einen satirischen Fantasy-Roman, der nicht über die ersten 30 Seiten hinaus kam, und einen nur geringfügig ernsteren Roman, der es nicht mal halb so weit schaffte, sowie diverse niemals vollendete Kurzgeschichten.
Einundzwanzig war in Bezug auf meine schreiberische Entwicklung wichtig, da in diesem Alter verschiedene Grundlektionen sackten. Eine davon: Beende,
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