Silber
erzählen, und als ich älter wurde und meine Interessen sich verlagerten, bewegte ich mich von der Fantastik fort in andere Gefilde.
»Silber« ist kein Buch, das ich vor neunzehn oder auch nur neun Jahren hätte schreiben können. Es ist einer dieser Evolutionssprünge, über die ich gesprochen habe. Das ist eine der großen Freuden am Schreiben – wenn du siehst, wohin dich dein »Talent zu Lügen« als Nächstes führt.
Vom Schreiben zu leben war also immer dein Plan, egal was für einen Job du gerade hattest?
Ja. Von dem Tag an, da ich die ersten Zeilen meiner ersten Kurzgeschichte in die Tasten gehämmert habe, wusste ich, dass ich mein Leben als Autor bestreiten wollte. Das Schwierige war immer, diese Idee in die Tat umzusetzen. Dafür braucht es einen Plan. Die Wahrheit ist, dass mein Job als Lehrer mich jeden Tag ein Stückchen mehr aufgezehrt hat. Lehrer ist ein undankbarer Beruf, anders kann man es nicht sagen. Irgendwann war ich dann so weit, dass allein der Gedanke, ein Klassenzimmer zu betreten, in mir Widerwillen hervorgerufen hat. An einem Wochenende war dann einmal Thriller-Autor Stel Pavlou 2 bei mir in Stockholm zu Gast. Wir redeten über das Leben, die Arbeit und das Schreiben und kamen immer wieder darauf zurück, dass wir beide von Zeit zu Zeit mit Depressionen zu kämpfen hatten. Während dieser Gespräche wurde mir klar, wie sehr meine Stelle als Lehrer meine Seele zerstörte. Ich weiß, das klingt melodramatisch. Aber ich habe die Entscheidung, hinzuschmeißen, am Sonntag getroffen, als ich Stel zu seinem Flieger gebracht habe, und Montagabend war ich ein neuer Mensch. Ungestüm, wie ich häufig sein kann, ging ich gleich am Montag ins Büro des Rektors und kündigte auf der Stelle. Ja, erklärte ich, ich könnte am nächsten Tag kommen, aber es wäre für alle das Beste, wenn sie meine Kündigung sofort akzeptieren würden. Das taten sie und stimmten zu, mich für den Rest des Jahres auszubezahlen. Das bedeutete, dass ich sechs Monate Zeit und eine Deadline hatte, bis wann ich meinen ersten Roman verkaufen oder mir etwas anderes überlegen musste. An dem Tag kam ich nach Hause, und da wartete das Angebot von Games Workshop/
Warhammer
auf mich.
Manchmal ist das Leben eben so. Du vertraust auf dein Glück und fällst nicht auf die Nase. Ich schätze, dass es genau das ist, worum es beim Glück geht, nicht?
Gibt es seit dem noch einen typischen Tagesablauf bei dir?
Ich bin ein Morgenmuffel mit Tendenz zur Nachteule. Ich neige dazu, vormittags aufzustehen – ganz langsam –, beantworte E-Mails, arbeite das Tagesgeschäft eines Autoren ab (da gibt’s allerhand wenig glamouröse Sachen: Buchhaltung, Rechnungen etc.) und esse zu Mittag. Der Nachmittag gehört dem Schreiben. An einem durchschnittlichen Tag schreibe ich von 13 bis 19 Uhr. Dann spanne ich aus und relaxe, bevor ich gegen 23 Uhr an den Computer zurückkehre und bis 2 oder 3 arbeite. Ich war nie besonders gut mit der Routine eines von der Stechuhr diktierten Arbeitstags, aber ich habe etwas von einem Workaholic in mir. Mein Minimum sind 10 Stunden Arbeit am Tag.
Wie eben schon einmal erwähnt, schreibst du ja nicht nur Romane, sondern auch Kurzgeschichten, genauso wie du schon als Herausgeber gearbeitet hast – u. a. an einer Sammlung von Horror-Erzählungen des großen Fritz Leiber 3 . Ein zweites Standbein?
Ich wurde aus Verzweiflung zum Herausgeber – es war nie als zweites Standbein gedacht. Ich lief damals durch Newcastle, eine Industriestadt im Nordosten Englands, und war schockiert angesichts der Not und der vielen obdachlosen Menschen in den Straßen. Das hat mich hart getroffen. Ich überlegte, wie ich helfen könnte. Die Antwort – nur sehr wenig – war ernüchternd. Als ich nach Hause kam, lag ein roter Spendenumschlag auf meiner Türmatte. Es war einer dieser seltsamen Zufälle. Anstatt den Umschlag wie sonst in den Müll zu werfen, rief ich ein paar Schriftsteller-Freunde an und fragte, ob sie Interesse hätten, ein paar ihrer Geschichten für ein Buchprojekt zu »spenden«, dessen Erlös Obdachlosen zu Gute käme. Danach suchte ich einen Verleger. »Redbrick Eden« war das Ergebnis und brachte genug Geld ein, um für ein Jahr zwei Betten zu finanzieren, wenn ich mich recht erinnere.
Mit »Elemental« war es ähnlich. Ich war am zweiten Weihnachtsfeiertag 2005 in London, als der Tsunami Südostasien traf. Allerdings sollte mein Drang zu helfen erst einsetzen, als ich wieder daheim war und der Unterricht
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