Silber
geschaffen haben. Wenn Noah jemanden umbringt, muss er sich damit auseinandersetzen, aber es ändert nichts an der Natur seines Charakters. Daniel Jackson hätte niemals jemanden erschießen können. Das wäre gegen alles gegangen, was wir in der TV-Serie gesehen haben. Diese eingeschränkte Ausgangsposition kann manchmal aber auch einen Gegeneffekt haben: Sie zwingt einen, noch kreativer zu sein und Wege zu finden, die Handlung dahin zu steuern, wo man hin möchte. Man muss oft richtig knobeln, damit die Story, die man sich ausdenkt, mit der jeweiligen Welt zusammenpasst.
Bei
Warhammer
zum Beispiel war es ein paar Mal so, dass ich ganze Handlungsverläufe verwerfen musste, weil sie nicht in die Kontinuität passten oder irgendwie vom
Warhammer
-Feeling abwichen. Das kann mir bei »Silber«, »Gold« oder anderen Folgeromanen mit dem Ogmios-Team nicht passieren. Ich gebe den Ton an. Um
Outer Limits
zu zitieren: Ich kontrolliere das Horizontale und das Vertikale. Das sind meine Charaktere. Für diese Dinge hege ich eine Leidenschaft. Das ist meine Welt. Sie steht und fällt mit dem Fundament, das ich für sie errichte. Ich kann mich nicht hinter der Entschuldigung verstecken, dass ich im Sandkasten von jemand anderem spiele. Das ist erfrischend. Aufregend. Beängstigend.
Du magst die Arbeit in deiner eigenen Welt also lieber?
Ohne Frage, ja. Ich möchte auf ein Buch in meinem Regal schauen und sagen können, dass es meines ist – und nicht denken müssen: Mann, es wäre toll gewesen, wenn ich das oder jenes hätte machen dürfen. Oder den Umstand hassen, dass ich eine wahnsinnige Deadline halten musste, anstatt dem Werk die Zeit zu geben, die es braucht. An der Erstfassung von »Silber« habe ich sechs Monate geschrieben, mehr als doppelt so lang, wie ich für einen Franchise-Roman brauche. Danach war ich in der Lage, es drei Monate zur Seite zu legen und hinterher noch drei Monate in die Überarbeitung zu investieren, damit am Ende ein Buch rauskommt, von dem ich sagen kann, dass ich wirklich dahinter stehe und dass es durch und durch Steven Savile ist, mit allen Fehlern und Makeln.
Wie bist du auf all die vielen Zusammenhänge in »Silber« gekommen?
Diese Antwort enthält ein paar Spoiler. Wenn hier also jemand so wie ich ist und immer zuerst das Interview und das Extra-Material anschaut, bevor er den Roman liest, bitte diese Frage überspringen.
Immer noch hier? Okay.
»Silber« ist eine erfundene Geschichte. Das bedeutet – zwangsläufig –, dass ich mir diverse Freiheiten im Umgang mit Fakten erlaubt habe, wenn es dem Zweck meiner Story dienlich war. Dieser Zweck ist es, zu unterhalten, mitzureißen, zu ängstigen und den Leser die Seiten umblättern und ab und zu mitdenken zu lassen. Wann immer es mir möglich war, habe ich allerdings versucht, keine »Lügen« zu erzählen. Und wenn es sich mal nicht vermeiden ließ, habe ich versucht, es wie jeder gute Lügner zu halten: Ich habe alles dafür getan, damit diese Unwahrheiten im Grunde genauso gut die »Wahrheit« hätten sein können. Oder wenigstens ein mögliche Wahrheit. Es gibt keine Quellen, die belegen, dass Menahem und Eleasar die dreißig Silberstücke tatsächlich geerbt haben, geschweige denn, dass sie sie in den letzten Tagen von Masada zu einem Dolch eingeschmolzen haben, den sie dann versteckten. Das zu behaupten, fällt unter »kreative Freiheit«. Unbestritten ist aber, dass es zahlreiche sich widersprechende Erklärungen dafür gibt, was mit den Tyrischen Shekeln passiert ist. Aber einen Aspekt haben all die unterschiedlichen Überlieferungen gemein: Was immer Judas Iskariot auch versuchte, er konnte sich der verfluchten Münzen nicht entledigen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
So arbeite ich. Etwas beschäftigt mich und lässt mir keine Ruhe. Zu der Zeit, als diese Sache anfing, an mir zu nagen, habe ich »Das verschollene Evangelium« 5 gelesen und war wie der Rest der Welt fasziniert von der Idee, dass der große Verrat am Ende vielleicht das ultimative Opfer hätte sein können.
Ich wusste sofort, dass ich seine Geschichte von einer anderen Seite erzählen wollte.
Eigentlich müssen wir sogar noch ein bisschen weiter zurück.
Es war mitten in der Nacht, 3 oder 4 Uhr, im September 1996. Ich lag auf dem Bett in einer schäbigen Studentenbude in Newcastle (nicht weit entfernt von der Ecke mit dem Appartement, in das Ronan am Anfang des Romans einbricht), bei mir meine beiden damals besten Freunde, Gary und Dene. Gary zappte
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