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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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zusammengehalten. Der Haken in der Wand endete in einem schön ausgestalteten Löwenkopf. Es war nur ein kleines Detail, aber wie ihm beim KGB eingebläut worden war, steckte in den Details oft die Wahrheit. Und es gab unzählige kleine Details, von der Vertäfelung des Schiebefensters, über die alten Zugseile, die in den Rahmen eingearbeitet waren, bis hin zu den schwarzen und weißen Fliesen, die auf dem Boden zu einem Schachbrettmuster verlegt waren - oder den drei zerbrochenen Exemplaren, die auf einen Kampf hindeuten konnten. Konstantin ging langsam durch das Zimmer, dann ließ er sich auf das nachgemachte Chesterfield-Sofa in der Mitte des Raumes sinken.
    Er legte die Füße auf die Granitplatte des Couchtischs. Das Zimmer machte keinen sehr bewohnten Eindruck. Er hatte damit gerechnet, überall verstreute wissenschaftliche Magazine, vergessene Kaffeetassen und andere Anzeichen auf die Zerstreutheit des Professors zu finden, doch Grey Metzger achtete anscheinend auf akribische Ordnung und penible Sauberkeit. Als ob er hier nur Gast gewesen wäre, und nicht der Hausherr.
    Oder als ob sein Leben weggewischt worden wäre, bevor er es sich richtig ansehen konnte, überlegte Konstantin.
    Nur ein einziges Bild hing an der Wand:
Kummer
von Vincent van Gogh. Es war natürlich nur ein Druck und nicht das Original – ein einfacher Dozent hätte wohl kaum die Mittel gehabt, um sich ein Gemälde für fünfzig Millionen Dollar an die Wand hängen zu können. Es war ein hässliches Bild für einen Raum, in dem man den Großteil seiner Zeit verbrachte, fand Konstantin.
    Darunter stand ein Aquarium, das jedoch keine Fische enthielt.
    Langsam gewann Konstantin ein Gefühl für den Mann, auf dessen Spuren er wandelte.
    Er untersuchte die restlichen Zimmer.
    Im Schlafzimmer stand ein ordentlich gemachtes Bett mit weißen Seidenlaken; in der Ecke stand eine Schaufensterpuppe, über die die Kleidung des Verstorbenen drapiert war, und die den Raum wie der Geist der vergangenen Weihnacht heimsuchte. Der Bettvorleger schien ein Elchfell zu sein. Auch hier gab es kaum persönliche Gegenstände, nicht einmal ein Wecker stand auf dem Nachttisch. Er warf einen Blick in die Schubladen der Kommode. Sie waren leer. Das überzeugte ihn endgültig davon, dass die Wohnung von ihrem letzten Besucher gründlich gereinigt worden war. Er konnte sich die Mühe sparen, nach Fingerabdrücken zu suchen.
    Mitten im Badezimmer stand eine schöne, alte Keramik-Badewanne auf Messingfüßen. Sie waren großen Löwentatzen nachempfunden, passend zu den Raffhaken im Wohnzimmer. Es gab weder Shampooflaschen noch Duschgels, in der Tasse auf der Ablage über dem Waschbecken war keine Zahnbürste. Er fuhr mit dem Finger über die obere Kante des Wandschranks – als er ihn ansah, war kein einziges Staubkorn daran zu sehen.
    Die enge Küche war genauso leer. Er öffnete der Reihe nach die Schränke, kam aber schnell zu dem Schluss, dass er sich die Mühe sparen konnte. Nicht ein einziges Fertiggericht fand sich darin. Keine Frühstücksflocken, keine Teebeutel, keine Nudeln oder sonstigen Lebensmittel, die ein Alleinstehender schnell zubereiten konnte. Er hatte verschimmeltes Brot erwartet, saure Milch im Kühlschrank, Käse mit blauem Schimmel darauf oder andere Anzeichen dafür, dass die Wohnung verlassen worden war, aber er fand nichts davon. Die Säuberung war äußerst gründlich gewesen. Fast nichts in dieser Wohnung erinnerte mehr an Grey Metzger, außer den Kleidungsstücken auf der Schaufensterpuppe und den Büchern im Flur.
    Konstantin zog den Brief aus seiner Tasche. Wie hatten sie gleichzeitig so gründlich und so nachlässig sein können? Er ging zurück ins Wohnzimmer, doch statt auf das Ledersofa setzte er sich diesmal auf das Fensterbrett, so konnte er über den Schlosspark blicken, während er den Brief wieder zur Hand nahm.
    Er las ihn drei Mal komplett durch. Diesmal fiel ihm sofort auf, dass die Verfasserin Metzger Graham nannte und nicht die kürzere Koseform Grey benutzte, wie man es von der Geliebten erwartet hätte. Das erschien ihm merkwürdig, vor allem, weil Metzger die Kurzform seines Namens auf fast jedem offiziellen Dokument verwendet hatte, das Lethe hatte finden können. Die zweite Auffälligkeit bestand darin, dass sie nicht mit ihrem Namen unterschrieben hatte, sondern sich selbst die Braut des Kummers nannte. Das war kaum eine Verabschiedung, die gut unter einen Liebesbrief passte.
    Der Rest des Briefes bestand nur aus der

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