Silber
Fátima, soweit ich weiß.“
Neri nickte.
„Die Nachricht von Rom bezog sich deutlicher auf die Stadt, und ich würde sie als eine direkte Drohung an den Papst verstehen:
Hoher Priester von Rom, hüte dich davor, dich der Stadt zu nähern, die von zwei Flüssen durchflossen wird. Dein Blut wirst du dort ausspeien, Deines und das der Deinen, wenn die Rose erblüht
. Das ist aus den Prophezeiungen des Nostradamus.“
Neri nickte abermals. „Ja, das war die Botschaft.“ Er stieß hörbar die Luft aus und griff dann nach seiner Tabakdose. „Ich muss rauchen“, sagte er. „Ich bin ein alter Römer, nicht einer von diesen neuen Spinnern auf ihren verdammten Piaggios, die jedes Mal auf die Hupe drücken, wenn sie an einem hübsches Mädchen vorbeifahren. Das Rauchen hilft mir beim Nachdenken.“
„Hauen Sie rein“, sagte Noah. „Was die Frage angeht, warum diese Nachrichten anders lauten: Wir glauben, dass damit die ersten Ziele angekündigt wurden. Wenn das stimmt, heißt das, dass nach Berlin morgen Rom an der Reihe sein wird.“
„Dio ci aiuti“, keuchte der Carabiniere, halb Stoßgebet, halb Ausdruck seiner Ungläubigkeit, als er über Noahs Schulter auf den Fernseher blickte. Noah war sicher, dass er die Zahlen las und eine Katastrophe von ähnlicher Größenordnung in Gedanken auf seine eigenen, vertrauten Straßen übertrug. Seine Hand zitterte, als er sie zu einem weiteren Zug an der dünnen Zigarette zum Mund führte. Es war eine sehr menschliche Geste, schwach und ängstlich. Das hier passte nicht im Geringsten in seine Philosophie. Er kannte sich aus mit Korruption, Mafiosi, dunklen Gassen und dem Reiz eines Todes aus nächster Nähe. Dieser unpersönliche Tod war, in Ermangelung eines besseren Wortes,
unitalienisch
. In dem kurzen Moment, in dem Neri seine Angst zeigte, tat er Noah leid. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, welche höllischen Schrecken auf diese Stadt warteten; er hatte es den ganzen Nachmittag im Fernsehen gesehen. Man brauchte nicht viel Fantasie, um den Namen Berlins in den Nachrichten durch den von Rom zu ersetzen.
Noah nahm einen Schluck von seinem Nasturo Azzurro. Das Bier lief ihm kalt durch die Kehle, und viel höhere Anforderungen stellte er an ein Bier auch nicht. Er wischte sich mit der Hand über die Lippen und stellte die Flasche wieder auf den Tisch zwischen ihnen. Er drehte sich nicht zu dem Fernsehgerät hinter ihm um.
„Wie können wir das verhindern, Noah?“, fragte Dominico Neri, er sprach Noah zum ersten Mal beim Vornamen an.
Noah wünschte, er hätte eine Antwort auf diese Frage.
„Sie sind doch aus einem bestimmten Grund zu mir gekommen. Also sagen Sie mir, wie können wir es verhindern?“
Noah beugte den Oberkörper nach vorn und kam mit dem Mund dicht an Neris Ohr. Es war eine sehr vertrauliche Geste, besonders für eine Unterhaltung in einem Café. Noah wollte verhindern, dass seine nächsten Worte in die falschen Ohren gelangten – selbst wenn es schwer sein würde, ihren Sinn zu erkennen. Das alte Sprichwort, dass eine lose Zunge Leben kostet, erfreute sich beim Militär immer noch reger Beliebtheit. „Alle Opfer stammen aus England“, sagte er zu Neri, ohne dessen Frage zu beantworten. „Unsere Leute versuchen gerade herauszufinden, welche Verbindung zwischen ihnen bestand. Es muss eine geben, und wir werden sie finden. Das ist unser Job. Und anschließend werden wir die Leute finden, die für diesen ganzen Mist verantwortlich sind.“
„Aber Sie werden sie nicht heute finden, oder?“, sagte Neri. Es war eigentlich keine Frage. „Das bedeutet, dass morgen …“ Er ließ den Satz unvollendet.
„Sehen Sie sich die Botschaften an“, sagte Noah. „Sehen Sie sich den Inhalt an. Die Drohung richtet sich gegen einen Mann, nicht gegen die Stadt. Es wird nicht so wie in Berlin sein.“ Noah wusste nicht, ob das stimmte, doch während er es aussprach, entdeckte er eine gewisse Logik darin.
„Sie glauben wirklich, dass diese Leute Seine Heiligkeit umbringen wollen?“, fragte Neri fast ungläubig. Nur die Bilder aus den Nachrichten hielten ihn davon ab, schon die bloße Vorstellung als absurd abzustempeln. „Du lieber Himmel, das glauben Sie tatsächlich, nicht wahr?“
Noah nickte langsam.
„Verstehen Sie mich nicht falsch, mein Freund, aber ich wünschte, ich wäre Ihnen nie begegnet.“
„Das geht mir genau so“, erwiderte Noah, ohne eine Spur von Belustigung in der Stimme.
„Allerdings verstehe ich nicht, warum Sie damit zu
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