Silber
arrangieren, während der Ursprung der Bedrohung neutralisiert wurde. Wenn ein Anschlag auf den Pontifex geplant war, spielte es keine Rolle, ob dieser sich im Vatikan aufhielt oder nicht – der Anschlag würde auf jeden Fall verübt werden. Der einzige Unterschied würde in der die Vorgehensweise bestehen. Ein gezielter Angriff eignete sich am besten, um einen einzelnen Mann auszuschalten, also ein Scharfschütze, Gift, oder eine Autobombe. Etwas so Nebelhaftes, wie den Glauben an sich anzugreifen, schrie wieder förmlich nach großem Theater. Eine Bombe. Eine Serie von Bombenanschlägen. Ein großes Ereignis, das ein plakatives und nachhaltiges Bild des Schreckens hinterließ.
Noah dachte wieder darüber nach, dass solche Terrorakte gewisse Ähnlichkeiten mit Aktionskunst hatten, mit der ganzen Welt als Bühne. Es musste etwas gut Sichtbares sein, etwas Schockierendes – etwas, das die Anhänger der Kirche bis ins Mark erschütterte. Bilder von Rettungsmannschaften, die in den Trümmern nach Überlebenden suchten, während um sie herum die heiligen Reliquien und all ihre Hoffnungen verbrannten, würden den Gläubigen eine klare Botschaft senden. Noah teilte seine Gedanken mit Dominico Neri. Der Polizist nickte, als er sich das Szenario durch den Kopf gehen ließ.
Terror als öffentliche Inszenierung. Diese Tatsache irritierte Noah am meisten. Die Angriffe verbreiteten Panik, aber warum fanden sie überhaupt statt? Was wollten diese Leute erreichen, außer Europa in Angst und Schrecken zu versetzen? Eigentlich hätten schon längst Bekennervideos im Netz auftauchen müssen, auf denen jemand die Angriffe auf sich nahm und der Welt mitteilte, was er für das Ende der Angst verlangte. So lief das normalerweise ab.
„Egal, was sie vorhaben, wir brauchen Zeit.“ Er ließ die zweite Hälfte des Satzes unausgesprochen. „Wir können das unmittelbare Umfeld außerhalb des Vatikans durchkämmen, aber wenn da nicht zufällig ein rostiger Eimer herumsteht, auf den jemand mit roter Farbe ‚Bombe’ geschrieben hat, wird das eine gewisse Zeit dauern. Und falls sich die Bombe jenseits der Mauern im Land des Heiligen Vaters befindet, haben wir sowieso keine Chance.“
„Die werden doch sicherlich auf Sie hören, oder?“, sagte Noah.
„Dies ist Rom. Die werden sich die Ohren zuhalten und so tun, als ob sie uns nicht verstehen könnten, weil sie glauben, dass sie unverwundbar sind. Sie sind schließlich Angehörige der Armee Gottes. Es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt als die Verblendung von wahren Gläubigen. Entweder halten sie sich für unsterblich, oder sie freuen sich darüber, dass sie in eine bessere Welt übertreten können. Ich habe das Gefühl, dass ihnen völlig egal ist, ob sie in tausend kleinen Stückchen dort ankommen.“ Neri grinste schief.
„Seit wann ist diese Audienzreise geplant?“
„Keine Ahnung. Aber wenn man die Vorbereitungen bedenkt, die ein päpstlicher Besuch mit sich bringt – seit sechs Monaten, vielleicht auch zehn?“, sagte Neri achselzuckend.
Noah überlegte angestrengt, wie er an Stelle der Attentäter vorgehen würde.
Er schloss die Augen und legte die Finger an die Stirn.
„Denk nach, denk nach, denk nach“, murmelte er, während er sich mit der Hand durch die Haare strich. Dann schüttelte er den Kopf. Sie hatten von Anfang nichts so gemacht, wie er es getan hätte. Er hätte zum Beispiel niemals öffentlich verbreitet, dass er den Papst ermorden wollte; das war einfach dumm. Man musste die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Ziel ablenken, wenn man nicht, wie in einer Zeichentrickserie, in Handschellen abgeführt werden und dabei „Diesmal habt ihr mich vielleicht erwischt!“ rufen wollte. Was zum Teufel war hier also los?
Außerhalb der Vatikanstadt waren die päpstlichen Leibwächter immer in höchster Alarmbereitschaft, so viel war sicher. In diesen konfliktgebeutelten Zeiten wurde bestimmt jeder Ort außerhalb des Vatikans als feindliches Gelände betrachtet. Im besten Fall war der Papst also von Leuten umgeben, die eine Kugel für ihn fangen würden, wie Neri es so schön ausgedrückt hatte. Seine tägliche Routine wäre allerdings nicht so gut vorhersehbar, was den Anschlag schwieriger gestaltete. Man bräuchte einen Informanten, jemanden aus dem inneren Kreis, der die genauen Zeitpläne der Reise kennt. Nur so hätte man genug Zeit, um vor dem ganzen Tross an Ort und Stelle zu sein und sich eine günstige Schusspositionen zu suchen. Noah schloss wieder die
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