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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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Zielperson verloren und stattdessen einen Verletzten. Solche Anrufe erledigte man als Agent nur sehr ungern, sie hatten meistens ein Nachspiel. Konstantin hatte nicht das geringste Mitleid mit ihnen. Die Frau blickte auf, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Dann fuhr ihn der Bus aus ihrem Blickfeld.
    Er drückte den Halteknopf und stieg weniger als dreihundert Meter die Straße runter wieder aus.
    Sie würden kaum damit rechnen, dass er umkehrte und vom Gejagten zum Jäger wurde. Er ging schnell an den identitätslosen Geschäften mit ihren angelaufenen Schaufensterscheiben vorbei, dann sah er das helle, gelbe Schild eines Second-Hand-Ladens und schlüpfte durch die Tür hinein. Er brauchte weniger als eine Minute, um einen großen Lammfellmantel und eine flache Schiebermütze aus einem der hinteren Regale zu fischen. Er bezahlte bar und ließ seinen eigenen Mantel als Kleiderspende zurück. Er zog sich den Schirm der Mütze tief ins Gesicht und knöpfte den Mantel bis zum Hals zu, während er wieder hinaus auf die Straße trat. Die ganze Transaktion hatte weniger als zwei Minuten gedauert.
    Er sah, zumindest auf einen flüchtigen Blick, nicht mehr aus wie der Mann, der vor weniger als zehn Minuten Grey Metzgers Wohnung verlassen hatte. Das sollte für sein Vorhaben ausreichend sein.
    Konstantin hatte sich in der Rolle des Jägers schon immer wohler gefühlt.
    Er ging zurück Richtung Schloßstraße, mit gesenktem Kopf und die Hände tief in den Taschen des alten Lammfellmantels vergraben. Er konnte den kalten Zigarettenrauch riechen, den die Schafshaut ausdünstete. Sie war zwar oft getragen worden, dadurch aber sehr bequem. Er spürte die ersten dicken Tropfen eines Regengusses auf den Ärmeln. Jeder von ihnen schien einen neuen, vergessenen Geruch aus dem Innern des Mantels hervorzulocken.
    Als erstes sah er das rote Kleid. Es hob sich durch seine Signalfarbe deutlich von der grauen Straße ab. Konstantin lehnte sich neben einer Bushaltestelle an die Wand und beobachtete.
    Kaum fünf Minuten später hielt die schwarze Limousine neben der Frau an, und sie half dem verletzten Mann, aufzustehen und in den Wagen zu steigen. Konstantin lächelte schief, er genoss das schmerzverzogene Mienenspiel seines Verfolgers während dieser Szene. Was allerdings wirklich sein Interesse weckte, war das Nummernschild des Wagens, oder eher gesagt die Null anstelle der Städtekennung. Die Nummernschilder in Berlin trugen üblicherweise ein B, gefolgt von einer sechsstelligen Buchstaben- und Ziffernfolge.
    Die Null dagegen wies die Limousine als ein Fahrzeug im diplomatischen Dienst aus.
    Er prägte sich den Rest der Nummer ein, damit würde er zumindest Lethe beschäftigt halten können, wenn sie sonst nichts anderes hergab. Das Diplomatenkennzeichen konnte zwar zu allen möglichen Organisationen gehören, doch es wies in jedem Fall auf äußerst einflussreiche Freunde hin.
    Konstantin zog den Schirm seiner Mütze über die Augen, als die Limousine an ihm vorbeifuhr.
    Er musste herausfinden, was auf dem USB-Stick gespeichert war.

11
GHOSTWALKER
    „Okay, Koni, sprechen Sie mit mir“, sagte Jude Lethe in sein Headset. Er wischte sich mit dem linken Handrücken über die Lippen, dann stellte er die leere Getränkedose zu einer wackeligen Pyramide aus weiteren leeren Getränkedosen.
    Tausend Kilometer von ihm entfernt saß Konstantin Khavin in einem kleinen, schäbigen Internetcafé, wo er sich eine große Tasse mit schwarzem Kaffee genehmigte. In drei Minuten hatte er dreimal über die Schulter geblickt. Jude sah das harte Gesicht des Russen verschwommen und verpixelt durch die Linse der Webcam. Er genoss es, andere Leute vor einem Computer zu beobachten – besonders wenn so offensichtlich war, dass sie sich damit nicht auskannten.
    „Was soll ich jetzt tun?“, fragte Konstantin. Er starrte seinen Bildschirm an, als wäre er eine Gifschlange.
    „Ich brauche die IP-Adresse des Terminals, das Sie benutzen“, erklärte Lethe mit der Befürchtung, dass der große Mann nur Bahnhof verstand.
    „Und jetzt in einer Sprache, der ich folgen kann?“
    „Ich werde von hier aus Ihren Computer übernehmen, wie durch Zauberei“, sagte er grinsend.
    „Wenn du willst, kannst du ein richtiger Arsch sein, Lethe. Hat dir das schon mal jemand gesagt?“
    „Wenn schon, dann richtig, würde ich sagen. Wie wär’s, wenn wir jetzt Ihren Computer hacken?“ Er gab Konstantin über das Telefon Anweisungen und führte ihn zu dem Menü mit

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