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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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Stuhl vom Schreibtisch abstieß. Während der kurzen Fahrt auf den kleinen Rädern drehte er sich ein Stück. Er trennte die Verbindung und nahm sich das Bluetooth-Headset aus dem Ohr.
    Der Raum war vom Fußboden bis zur Decke vollgestopft mit Servergehäusen und Festplatten, Steckerleisten, USB-Hubs und Unmengen von lose verlegten Kabeln, die sämtliche Geräte zu einer Art bizarrem Transformer verschmelzen ließen.
    Lethe griff nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke seines iPods auf, der mit einer teuren Sound-Anlage verbunden war. Obwohl die Lautstärke erst bei einem Viertel stand, waren die Boxen kraftvoll genug, um jedes atmende Wesen im Umkreis von hundert Metern um Nonesuch taub werden zu lassen. Jude Lethe war in musikalischer Hinsicht eindeutig zu spät auf die Welt gekommen. Der Jazz-Refrain des Stückes „I Refuse“ von Hue and Cry blendete nahtlos über in Stuart Adamsons kantigen Gesang, als er „In A Big Country“ anstimmte. Die ganze Playlist enthielt nur Stücke aus der Mitte der Achtziger, sie ließ dabei aber die nervtötenden Popnummern aus und konzentrierte sich stattdessen auf Kultsongs wie „Love Is A Wonderful Color“ und „Sixty Eight Guns“. Das waren Songs, die eine ganze Generation geprägt hatten.
    Er ließ die Fingerknöchel knacken und lehnte sich im Stuhl zurück. Einen Moment lang lauschte er nur dem melodiösen Schlachtruf des mittlerweile leider verstorbenen Sängers. Er nahm einen LCD-Wecker aus dem Regal über dem Computer und verglich die Zeit mit seiner Armbanduhr. Dann stellte er ihn so ein, dass er in fünfundvierzig Minuten klingeln würde – ein kleines Rennen gegen die Zeit würde seine Arbeit interessanter gestalten. Er legte den Wecker zurück auf das Regal und richtete seine volle Aufmerksamkeit wieder auf die Bildschirme vor ihm.
    Lethe tippte ein paar Befehle ein. Seine Finger bewegten sich mit anmutiger Geschwindigkeit über die Tasten. Ohne irgendetwas über die Frau zu wissen, die diese Daten verschlüsselt hatte, lief er wie eine blinde Maus durch die digitale Dunkelheit.
    Und genau so machte es ihm auch am meisten Spaß.
    Jude Lethe brauchte nur die Hälfte der veranschlagten Dreiviertelstunde, um den geklonten Inhalt des USB-Sticks zu entschlüsseln. Der Passwortschutz hatte nur neugierige Blicke abhalten sollen, und keine hartnäckigen Ermittler.
    Der Codename der Frau war Ghostwalker; ihr richtiger Name lautete Grace Weller. Sämtliche Dokumente trugen die Initialen GW als Signatur. Die Programmierung und die Dateistruktur verrieten Lethe so viel über die Frau, dass er sie schon bald so gut kannte wie ihre eigene Mutter. Schon nach einem flüchtigen Blick auf ihre Dateien wurde ihm klar, dass Grace alles andere als eine Freundin war, die das Pech hatte, sich nur zur falschen Zeit am falschen Ort aufzuhalten. Soweit Lethe es beurteilen konnte, hatte sie sich ihre Position als Metzgers Geliebte lange und akribisch erarbeitet. Ihr Computer war als Besitz der Regierung Ihrer Majestät registriert, also gehörte sie wahrscheinlich dem MI6 an. Lethe war amüsiert über die Tatsache, dass die Computertechniker dort immer noch darauf bestanden, dass die verwendete Software ordnungsgemäß beim Hersteller registriert wurde. Damals, in den Neunzigern, hatten die Kernbehörden ihre Software zur Datenbankverwaltung, Tabellenkalkulation und Textverarbeitung noch selbst entwickelt. Heute opferten sie – genau wie der Rest der bekannten Welt – dem großen Gott Microsoft ein kleines Vermögen, dass sie die britischen Staatsgeheimnisse elektronisch speichern durften.
    Nach dem Umfang des Dossiers zu schließen, das Grace von Grey Metzger erstellt hatte, war er für den MI6 offenbar eine so genannte „Person von Interesse“ gewesen. Dabei handelte es sich um eine beschönigende Umschreibung für den Hauptverdächtigen in einer bestimmten Sache. Lethe hatte keine Ahnung, worum es sich bei dieser Sache handelte, aber er war sicher, dass sich die Antwort auf diese Frage irgendwo in den mehreren Hundert Dateien befand, die er gerade entschlüsselt hatte. Er würde sie finden, das war immerhin sein Spezialgebiet. Die anderen ließen vielleicht die Muskeln spielen und kamen ins Schwitzen, wenn sie Soldat spielten, aber das, was in diesem kleinen Raum unter Nonesuch geschah, war mindestens genauso wichtig wie das ganze Gehetze und die Schießereien in der so genannten realen Welt dort oben.
    Anhand der Erstellungsdaten der Dateien konnte Lethe erkennen, dass

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