Silber
der Männer ins Erdgeschoss ging, oder ob es beide waren.
Frost wartete so lange, bis er nichts mehr von ihnen hörte, und flüsterte dann: „Sprich mit mir, Lethe.“
„Sie können sich jederzeit bei mir bedanken. Nein, wirklich. Wann immer sie möchten. Ich lebe, um zu dienen.“
„Schon gut. Sag mir einfach, was du siehst.“
„Da stehen fünf Bullen herum, die offenbar nichts mit sich anzufangen wissen. Ich glaube, ich habe sie verwirrt. Entweder das, oder der Krach hat ihre Synapsen überlastet und ihre Gehirne lahmgelegt.“
„Also ist noch einer im Haus“, überlegte Frost, der alles, was nach dem Wort „fünf“ kam, ignoriert hatte.
„Ihnen kann man nichts vormachen, Boss.“
„Kannst du mir nochmal erklären, warum wir dich behalten?“
„Weil ich zweifelsohne und ganz offensichtlich ein Genie bin, und weil Sie ohne mich und meine digitalen Zauberkräfte in absehbarer Zukunft den Dienern Ihrer Majestät zur Verfügung stehen müssten. Nun, es ist nett, mit Ihnen zu plaudern, aber was halten Sie davon, wenn Sie so schnell wie möglich da abhauen, Frosty?“
Frost steckte seine Pistole ins Holster.
Er streckte die Hände nach einem der Dachbalken aus. Dann griff er kräftig zu und zog sich leise in die Hocke. Seine Füße standen jeweils links und rechts der kleinen Luke. Der Dachboden war so niedrig, dass er sich darin nicht ganz aufrichten konnte. Er beugte sich nach vorn, hob mit den Fingern den Deckel an und bewegte ihn dann vorsichtig aus dem Weg. Der Chor der Sirenen überdeckte das leise pochende Geräusch von Holz auf Holz, als er den Lukendeckel ablegte. Unter sich sah er den erleuchteten Flur. Frost legte sich auf den Bauch und steckte den Kopf ein winziges Stück durch die Öffnung, damit er sehen konnte, was ihn unten erwartete.
Der letzte Polizist stand immer noch an der Tür zum Schlafzimmer, unfähig, den Blick von der übel zugerichteten Leiche abzuwenden. Wahrscheinlich hatte der arme Kerl noch nie zuvor einen Toten gesehen. Dass schon seine erste Leiche aussah wie eines der Mordopfer von Andrei Tschikatilo, machte es für ihn bestimmt nicht leichter, die Schrecken in diesem Raum zu verarbeiten. Aber es half Frost bei seinem Vorhaben. Er atmete tief durch, ein, zwei, drei Mal, bevor er sich langsam und geräuschlos durch die Öffnung hinabließ. Frost legte sein ganzes Gewicht auf die Unterarme, wie ein Turner am Barren. Als sich seine Schultern auf einer Höhe mit den Ellenbogen befanden, begann jeder Muskel in seinen Armen schmerzhaft zu zittern. Er rechnete damit, dass der Polizist überrascht aufschrie, doch es geschah nicht. Frost drehte sich ein Stück in der Luke, damit er seinen Körper weiter absenken konnte. Er hatte das Gefühl, dass die Muskeln in seinen Schultern und dem oberen Rücken gleich reißen würden – dann ließ er sich die letzten Zentimeter leise auf den Boden fallen, ein Stück hinter dem uniformierten Polizisten.
Er griff mit der Rechten zum Rückenholster und zog die Waffe.
Dann ging er zwei Schritte über den dicken Teppich und war kurz darauf bis auf wenige Zentimeter an den Polizeibeamten herangekommen. Er sah sich über dessen Schulter selbst in dem Spiegel, der an der Wand hinter dem Bett hing. Die Augen des Polizisten weiteten sich, und er setzte zur Drehung an. Frost zögerte keinen Augenblick. Er schlug dem Uniformierten den Griff seiner Pistole an die Schläfe, worauf der Mann augenblicklich in sich zusammensackte. Es war die beste Alternative zu einer Kugel in den Kopf. Er fing den Polizisten unter den Schultern auf, als dessen Beine nachgaben, und legte ihn sanft auf dem Boden ab.
Frost nahm immer zwei oder drei Stufen auf einmal und blieb dann am Treppenansatz wie angewurzelt stehen, als ihm etwas einfiel. „Das ist so ein Scheiß-Job. Der Kerl hat mein Gesicht gesehen, und meine Fingerabdrücke sind überall im Haus“, sagte er, und sah dabei seine linke Hand an, die immer noch auf dem lackierten Knauf aus Ahornholz ruhte, der den Abschluss des Geländers bildete.
„Es gibt drei Möglichkeiten“, sagte Lethe wie aus der Pistole geschossen in sein Ohr. „Sie könnten den Staubwedel auspacken. Oder Sie spielen Chemiker und brennen das Haus nieder – das geht ziemlich leicht, glauben Sie mir. Es gibt einen Gasanschluss, und in einer durchschnittlichen Küche findet sich genug explosives Zeugs, um damit einen Panzer in die Luft zu jagen. Damit schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: sowohl der Augenzeuge als auch die
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