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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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Fingerabdrücke wären verschwunden. Und es geht ziemlich schnell. Sie brauchen nur etwas Schmalz, den festgewordenen Schaum am Ofenreiniger und die besagte Gasleitung. Nach ein paar Minuten wäre der Brand nicht mehr kontrollierbar.
Oder
ich kann es so aussehen lassen, als ob Sie nie existiert hätten. Keine Fingerabdrücke, keine militärische Akte, nichts. Ich kann in zwanzig Sekunden eine Unperson aus Ihnen machen. Ihre Entscheidung.“
    Frost sah, wie sich in dem kaputten Viereck, wo das kleine Fenster in der Eingangstür gewesen war, Gesichter bewegten. Noch konnten sie ihn nicht sehen, aber in fünf Sekunden würde es soweit sein.
    „Vor dir kann man wirklich Angst bekommen“, sagte er. Er zweifelte nicht daran, dass der Junge alle seine Spuren vom Antlitz der Erde auslöschen konnte, genau so, wie er es gesagt hatte.
    „Obi Wan hat mich viel gelehrt, aber Sie sind mein Lord und Meister, Frosty. Und als Ihr treuer Diener fühle ich mich verpflichtet, Ihnen zu sagen, dass Sie sich schleunigst vom Acker machen sollten.“
    Ronan Frost wusste, dass Lethe Recht hatte. Er drehte sich um und rannte los. Er hörte, wie die Haustür hinter ihm geöffnet wurde. Er verkniff sich den Blick über die Schulter, weil er wusste, dass er den Unterschied zwischen einer gelungenen Flucht und einer Festnahme ausmachen konnte. Er lief durch die Hintertür. Draußen herrschte Chaos. Die Sirenen plärrten, und die Menschen riefen verwirrt und besorgt durcheinander. Frost verlangsamte seinen Schritt nicht, als er den kleinen Hinterhof durchquerte und auf den lackierten Bretterzaun zusprang. Er stieß sich von den hölzernen Zähnen des Gevatters mit dem rechten Fuß ab, griff mit beiden Händen nach der Kante und zog sich in einer einzigen fließenden Bewegung über den Zaun. Er kam auf der anderen Seite federnd auf dem Boden auf und blieb dort einen Moment lang stehen; den Rücken an den Zaun gepresst blickte er schnell nach links und rechts.
    Das Monster stand mehrere Blocks entfernt.
    „Alle verfügbaren Einheiten sind gerade in Ihre Richtung geschickt worden, Boss. In wenigen Minuten wird das Gebiet von Gesetzeshütern nur so wimmeln.“
    Das musste nicht unbedingt ein Problem sein. Die Polizisten wussten schließlich nicht, dass sie eigentlich nach ihm Ausschau halten mussten. Soweit es die Polizei betraf, gab es hier die Leiche einer Frau und viele Alarmsirenen. Er war diesmal nicht voller Blut, und abgesehen davon, dass er zur absolut falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, hatte er nichts Unrechtes getan. Trotzdem würde er nichts gewinnen, wenn er einfach hier stehen blieb.
    Er ging auf das Ende der Gasse zu, die zwischen den schmalen Reihenhäusern hindurchführte. An der nächsten Straßenecke hatten sich einige der Anwohner versammelt. Keiner von ihnen wusste, was los war. Um sich in der eisigen Nacht warmzuhalten, befanden sie sich in ständiger Bewegung. Einige von ihnen hatten sich nur hastig etwas übergezogen und trugen den Mantel über der Nachtwäsche. Andere trugen Jeans und Jacken und alles andere, woraus ihre tägliche Tracht sonst noch bestand. Auf weniger als zehn Metern hatte er jeden Körpertyp gesehen, von einer magersüchtigen Frau bis hin zu einem Mann, dessen fetter Bauch über dem strapazierten Gummibund seiner Schlafanzughose hervorquoll. Einige der Menschen hier hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Onkel Fester. Selbstverständlich gab es auch eine wunderschöne Morticia, mit schwarz gefärbten Haaren, Piercings und Eyeliner in schönster Grufti-Manier – die in dieser städtischen Freakshow vollkommen fehl am Platz wirkte. Frost lächelte ihr zu und riskierte dabei den Zorn ihres persönlichen Gomez. Charles Addams wäre stolz gewesen, wie gut seine Cartoons selbst nach so vielen Jahren diese Art von dystopischen, aber glücklichen Familien einfingen. Sie waren alle auf der Straße, doch momentan sah keiner von ihnen besonders glücklich aus.
    „Ein letzter Trick“, sagte Lethe in sein Ohr.
    Frost hatte keine Ahnung was damit gemeint war, bis die erste Straßenlaterne in einem Schauer aus Glassplittern explodierte. Die einzelnen Birnen platzten kurz nacheinander, es klang wie Schüsse aus einem Schrotgewehr. Scherben fielen wie scharfkantiger Regen. Frost ging mitten auf der Straße und fühlte sich dabei wie ein dunkler Rächer, der gerade einem B-Movie entsprungen war. Lethe lachte in seinem Ohr. Die Dunkelheit raste die Straße entlang, holte ihn ein, und bewegte sich dann weiter fort.

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