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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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Innerhalb kürzester Zeit schienen die Sterne am Himmel viel heller, weil im ganzen Viertel keine einzige Straßenlaterne mehr brannte.
    „Ich will gar nicht wissen, wie du das eben angestellt hast“, sagte Frost.
    „Das ist gelogen“, sagte Lethe. „Aber keine Sorge, ich weihe Sie in das Geheimnis ein. Ich habe lediglich ein bisschen Elektrizität umgeleitet. Es ist wirklich faszinierend, was man mit einem Computer alles anstellen kann. Ich habe die Transformatoren überladen, und irgendetwas musste nachgeben. Die Birnen sind so konstruiert, dass sie durchbrennen; das ist billiger, als die Leitungen zu erneuern. Es sah gut aus, oder? Wenigstens das können Sie zugeben.“
    „Es sah gut aus“, stimmte Ronan Frost zu.
    Er sah zwei Polizisten aus einem Streifenwagen steigen. Er ging zu ihnen hinüber und tat so, als ob er ein neugieriger Anwohner sei.
    „He, Jungs“, rief er, „was ist denn los?“
    „Nichts, was Sie beunruhigen müsste, Sir“, sagte der kleinere der beiden Beamten und schlug seine Autotür zu. Er schloss sie ab. Die örtliche Polizei hatte offensichtlich nur wenig Vertrauen in die Rechtschaffenheit der hiesigen Bürger.
    „Das fällt mir nicht leicht, bei diesem Höllenlärm“, sagte Frost und breitete die Arme aus, um das gesammelte Kreischen der Alarmanlagen zu umfassen.
    „Nun, ein Stromausfall im örtlichen Netz hat die ganzen Alarmanlagen kurzgeschlossen. Ich behaupte nicht, dass ich das verstehe, Kumpel. Ich tue nur, was der Boss mir sagt“, erklärte der größere Polizist und lächelte ihm dabei fast verschwörerisch zu.
    „Aah“, machte Frost, als ob es eine logische Erklärung gewesen wäre. „Na, dann wünsch ich euch eine gute Nacht, Jungs.“
    „Ihnen auch.“
    „Sie wissen ja, keine Ruhe den Gottlosen.“
    Er machte sich auf die Suche nach dem Monster.
    Das Lagerhaus zu finden war nicht schwierig, sich ihm zu nähern ebenfalls nicht. Hineinzukommen war allerdings eine ganz andere Geschichte.
    Canning Docks war eine von mehreren Kaianlagen entlang des Flusses. Vor langer Zeit einmal war der Fluss das Herz der Stadt gewesen. Solange der Fluss gedieh, gedieh auch die Stadt, zwischen ihnen hatte eine symbiotische Verbindung bestanden. Alle ein- und ausgeführten Güter wurden zumindest ein Stück weit auf dem Wasserweg transportiert. Die riesigen Lastkräne standen immer noch an den Ufern, Relikte eines vergangenen Zeitalters, als die Männer dieses Landes noch mit den Händen gearbeitet hatten, und als die wichtigsten Industriezweige noch der Schiffbau, die Kohleminen und die alten Gewerbe gewesen waren. Die Mühle mahlte kein Mehl mehr; ein Schild an der Seite wies das Gebäude nun als die ‚Oxo Gallery’ aus. In Frosts Kindertagen war Oxo ein Hersteller von Soßenpulvern gewesen. Es fiel ihm schwer, diesen Namen mit etwas künstlerisch Wertvollem zu verbinden.
    Es war schon mehrere Jahrzehnte her, dass das letzte auf dem Fluss gebaute Schiff vom Stapel gelaufen war. Entsprechend war es auch schon mehrere Jahrzehnte her, dass die Bewohner des Stadtteils stolz und zufrieden durch ihre Straßen gingen. Heute gaben ihnen nur noch ihre Fußball-Mannschaften eine Identität und Selbstwertgefühl. Nach dem Zusammenbruch der traditionellen Wirtschaftszweige hatten zu viele der Männer, damals in ihren Vierzigern, nie wieder Arbeit gefunden, und waren schließlich gestorben, ihrer Würde beraubt und vom Leben verstoßen. Natürlich hatten sich andere Industriezweige angesiedelt, dort allerdings mussten die Männer telefonieren, Computer bedienen und all die anderen Dinge tun, die sonst die Mädels im Büro erledigt hatten. Sie stellten nichts her. Sie schufen nichts mit ihren Händen. Und deshalb waren sie unglücklich.
    Links von der Zufahrtsstraße befanden sich die eisernen Tore der Stahlmühle, die sich vor fünfzehn Jahren zum letzten Mal geschlossen hatten. Jetzt wurde die gewaltige, leere Hülle des Gebäudes gerade zu einem Luxusappartementhaus umgestaltet, für irgendwelche Yuppies mit zu viel Geld und zu wenig Hirn. Das zollfreie Lagerhaus, das einst das Zentrum des Importhandels gewesen war, hatte nun zugenagelte Türen und blinde Fenster. Drinnen waren wahrscheinlich die Dielenböden aufgerissen worden, um die Blei- und Kupferrohre aus dem Boden zu entfernen und sie auf dem Schwarzmarkt zu verscherbeln.
    Frost drosselte seine Ducati auf gemütliche dreißig Stundenkilometer und kroch durch das Labyrinth aus engen Gassen, das durch das Hafenviertel führte. Es

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