Silberband 001 - Die Dritte Macht
Befehl, Sie durch erfundene Daten über eine nicht
existierende Widerstandsgruppe zu täuschen. Auf dem Weg zum Zelt wäre es mir leicht möglich
gewesen, meine Druckflasche zu öffnen. Die Ausströmgeräusche wären im Trommelfeuer
untergegangen.«
Rhodans Haltung entspannte sich. Unter dem dicken Wulst des Absorberhelms war sein müdes
Gesicht zu sehen. Die Antwort kam schleppend:
»Klein, wenn Sie nur eine unbedachte Handbewegung gemacht hätten, wären Sie jetzt ein toter
Mann. Ich besitze einen tragbaren Durchleuchtungs-Detektor, der mir die Stahlflasche deutlich
zeigte. Sie können sich darauf verlassen, daß Sie nicht einmal mit dem kleinen Finger an das
Ventil gekommen wären.«
»Sie wußten es also. Wollen Sie mir glauben, daß wir keine Sekunde daran dachten, das
Höllenzeug in der Kuppel abzublasen? Ich bin gekommen, um Sie nochmals in Ruhe sprechen zu
können.«
»Es ist kurz nach vier Uhr. Wenn Sie zurückkehren, wird man Sie fragen, was Sie hier so lange
getan haben.«
»Ich kann ausweichen. Ich habe Ihnen eben ein langes Märchen über die Untergrundbewegung
erzählt, von der Sie angeblich in Ihren Zielen unterstützt werden sollen.«
»Und was wollen Sie wirklich?« fragte Rhodan gedehnt. Seine Augen brannten.
Klein wurde ruhiger. Er fühlte die menschliche Größe jenes Mannes, der sich praktisch allein
gegen die geballte Macht der Erde gestellt hatte.
»Ihre Ziele erscheinen mir ehrenhaft«, erklärte er knapp. »Wir hatten uns bereits darüber
unterhalten. Ich sehe nicht ein, warum Sie als Dritte Macht beseitigt werden sollen. Der beinahe
begonnene Atomkrieg hat mir den letzten Schlag versetzt. Die Einheit der Erdbevölkerung ist durch
Ihr Auftreten bewirkt worden. Damit haben Sie etwas getan, was bisher als unerfüllbarer
Wunschtraum galt. Ich persönlich war mir schon immer darüber klar, daß nur eine übergeordnete
Drohung von außen her die sofortige Verschmelzung der Völker bewirken könnte. Ideologische
Phrasen gelten zur Zeit nicht mehr. Man beginnt vernünftig zu denken, was man aber nicht mehr tun
wird, wenn Sie nicht mehr existieren. Können Sie verstehen, daß ich als Offizier der IIA viel
mehr erlebt habe als ein normaler Mensch? Das Wirken der Geheimdienste war eine schmutzige
Angelegenheit. Wir, das heißt Kosnow, Li und ich, sind zu der Ansicht gekommen, daß Sie als
Dritte Macht weiterhin existieren müssen. Das sind unsere Gründe, ganz kurz umrissen.«
Rhodan dachte nicht lange nach. Kleins Ziele schienen klar zu sein, nur übersah er die
Tatsache, daß die von ihm bewunderte Dritte Macht wahrscheinlich am Ende war.
Rhodan sah aus tiefliegenden Augen zum Krankenabteil hinüber. In wenigen Stunden war der
Tagesbericht an Thora fällig, und Crest lag noch immer in seiner unbegreiflichen Starre.
»Sie müssen etwas tun«, fiel Klein ungefragt ein. »Es ist mir bekannt, daß vor einigen Stunden
drei irdische Raumschiffe gestartet sind. Den genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht sagen, wohl
aber das Ziel. Die Raketen sind dafür bestimmt, den Mondstützpunkt mit einer neuartigen Atomwaffe
anzugreifen.«
Reginald Bull umklammerte die Lehne seines Hockers. Auf den Bildschirmen der Ortungsgeräte
flackerten die grellen Explosionsblitze. Rhodan verzog ungläubig den Mund.
»Drei Mondschiffe – gestartet?« echote er verblüfft. »Wissen Sie, was Sie da reden? Auf
der Erde wird kein Atomtriebwerk anlaufen, mein Wort darauf.«
»Aber jenseits der 120-Kilometer-Grenze«, stöhnte Klein. Er fühlte seine Beine zittern und
ließ sich auf einen Hocker sinken.
»Wir, der Osten und die AF haben je einen Großraumer gestartet. Die beiden ersten Stufen
arbeiten rein chemisch. Als sie oben waren, begannen auch die kernchemischen Aggregate zu laufen.
Sie haben einen Fehler begangen, Rhodan! Deshalb bin ich gekommen. Lassen Sie jetzt die Fragerei
nach Sinn und Zweck meiner Handlung. Hier geht es nur darum, Ihren Mondstützpunkt zu
erhalten!«
Bully befeuchtete die Lippen. Er war blaß geworden. Rhodan tastete ebenfalls nach einem
Stuhl.
»Erzählen Sie, bitte«, sagte er rauh. »Was ist geschehen?«
Klein verschwieg keine Einzelheit. Die Konferenz in Grönland wurde erwähnt. Die Schilderung
über die Wirkungsweise der Katalyse-H-Bombe war für Rhodan leicht erfaßbar. Damit war genau das
eingetreten, was er befürchtet hatte.
Klein schloß mit dem Hinweis auf das Arbeitspensum, das vom größten Elektronengehirn der Erde
geleistet worden
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