Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
4,5 – Mach 4 …
»Langt die Energie zum Abbremsen?« fragte Hump plötzlich.
Er hatte eine belegte Stimme. Jetzt, da es um wirklich ernste Dinge ging, schien er mehr Sorge
um sein Leben zu empfinden als Lust, sich mit Tiff zu streiten.
»Ich bremse bei halber Schallgeschwindigkeit«, antwortete Tiff.
Hump stöhnte entsetzt. »Die Atmosphäre kann die antriebslose Maschine nur bis Mach eins
halten, dann sackt sie durch.«
Er hatte recht. Die Tragflächen des Zerstörers waren nur als Steuerhilfe bei Geschwindigkeiten
von mehr als Mach 1 in Atmosphären von der Dichte etwa der irdischen gedacht.
In diesem Sinn waren sie also keine Tragflächen. In der Luft hielt sich die Maschine, so hatte
man sich bei der Konstruktion entschlossen, kraft ihres Antriebs, der bei der unbeschädigten
Maschine nach allen Richtungen zu arbeiten in der Lage war.
Tiff brummte nur: »Dann sackt sie eben durch.«
Hump begann zu protestieren, aber Tiff hatte weder Lust noch Muße, sich auf Diskussionen
einzulassen.
Zwei Minuten später flog die Maschine noch Mach 0,6.
»Eberhardt! Siehst du einen Landeplatz?« rief Tiff.
Eberhardt starrte auf den seitlichen Bildschirm.
»Einen ganz großen«, antwortete er trocken. »Der ganze Planet ist ein einziger Landeplatz.
Fragt sich nur, wie's aussieht, wenn wir tiefer hinunterkommen.«
Er hatte recht. Die weiße Fläche zeigte keine Konturen, wenn sie kleiner waren als ein
mittlerer Berg. Die Maschine flog immer noch in drei Kilometern Höhe, aber sie sank rapide.
»Ich lande jetzt«, sagte Tiff.
Es blieb ihm nichts mehr anderes übrig. Wenige Sekunden später war die Maschine so weit
gesunken, daß man erkennen konnte, wie wenig eben das Gelände in Wirklichkeit war.
Tiff hoffte, daß die meisten Unebenheiten nur Schneeverwehungen waren. Wenn massives Gestein
darunter war, dann …
Der Zerstörer war zur Vertikallandung gebaut. Er hatte kein Fahrwerk, und wenn er eines gehabt
hätte, wäre es hier von denkbar kleinem Nutzen gewesen.
»Haltet euch fest!« befahl Tifflor. »Achtung – jetzt!«
Tiff hatte die Hände so fest um den Triebwerkshebel geklammert, daß ihm die Gelenke fast
brachen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht riß er den Hebel nach hinten und schaltete mit dem letzten
Rest der Energie die Bremsdüsen ein.
Es gab einen Ruck, als die Maschine über einen Hügel sprang. Eine Sekunde lang verdeckten
rasende Schneeschleier den Ausblick auf den Bildschirm, dann fiel der Schirm vollends aus und mit
ihm die Beleuchtung. Es wurde dunkel in der engen Kabine.
Der Zerstörer kam noch nicht in Ruhe. Eine Weile schien er sich um seine eigene Achse zu
drehen, aber Vorwärtsbewegung war ihm offenbar außerdem noch verblieben. Schließlich gab es einen
letzten, harten Ruck – dann war Ruhe.
Tiff hing schräg in seinen Gurten. Er setzte sich zurecht und sah sich um. Die Dunkelheit war
vollkommen. Aber im Helmempfänger hörte er hastiges Atmen.
»Wir sind gelandet«, sagte er.
Es gab keinen Zweifel, daß die Maschine Vollschaden erlitten hatte. Die Kabine ließ
sich auf die übliche Weise nicht mehr öffnen.
Felicitas war bewußtlos geworden. Eberhardt versicherte sich, daß ihr Raumanzug
vorschriftsmäßig geschlossen war, dann versuchten Hump und Tiff gemeinsam, das Kanzeldach mit
Gewalt zu öffnen.
Es gelang ihnen erst, als sie schon in Schweiß geraten waren. Das Dach glitt polternd nach
hinten, und die Sichtscheiben der Helme beschlugen in der feuchten, warmen Luft der Kabine von
einer Sekunde zur anderen mit einer dünnen Eisschicht.
»Heizung an!« befahl Tiff.
Er selbst wartete, bis die kräftige Heizung seines Raumanzugs auch die Scheibe des Helmes
erreicht und die Eisschicht abgetaut hatte, dann zog er sich in die Höhe und kletterte zur Kanzel
hinaus. Hump wollte ihm folgen, aber Tiff fuhr ihn an: »Warte!«
Hump gehorchte. Tiff saß eine Weile rittlings auf dem Kanzelrand und versuchte zu ergründen,
was ihm an dieser Welt so sonderbar vorkam.
Es war die einfachste Sache der Welt. Die Gravitation. Sie war sicherlich um zwanzig Prozent
geringer als die irdische, etwa 0,8 g. Tiff sprang hinunter. Er versank fast bis an die Knie in
pulverigem Schnee. Er atmete heftig und sah sich um. Es ging ein schwacher Wind, der über die
Außenmikrophone zu hören war und dünne Schneeschwaden träge vor sich her trieb. Tiff hob den
rechten Arm, um auf das Armbandthermometer zu sehen. Er erschrak, als er die Zeigerstellung sah.
112 Grad minus,
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