Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
Landsitzes vor und erklärte so, daß ihn
jeder – auch die Wächter in den Kellern – verstehen mußte: »Das Haus ist sofort zu
räumen! In genau fünf Minuten wird eine Bombe detonieren und alles Leben im Umkreis von hundert
Metern vernichten.«
Die Wirkung der Warnung war nahezu gleich Null. Jedermann innerhalb des Landhauses hielt sie
für einen Trick. Man wandte sich um Rat an den Overhead, aber der Overhead war nicht zu
sprechen.
Die Besprechung fand zwei Tage später statt, am 3. August 1981.
»Wir haben nicht soviel gewonnen, wie wir zunächst hofften«, erklärte Rhodan ernst. »Soweit
von den Gefangenen und dem Besitzer der Druckerei, der inzwischen verhaftet wurde, in Osaka zu
erfahren war, ist der wichtigste Mann entkommen. Keiner der Gefangenen hat den großen Unbekannten
jemals zu Gesicht bekommen – weder direkt noch auf dem Bildschirm. Seinen einzigen
Vertrauten, einen gewissen McMurray, fanden wir tot. Wir haben den Gang gefunden, durch den unser
Gegner entwischt ist. Seine Spur haben wir jedoch verloren. Die wenigen Aufzeichnungen, die in
dem Landhaus entdeckt wurden, gaben kaum Aufschluß über Pläne, Aktivitäten und Möglichkeiten des
Gegners. Wir dürfen also nicht hoffen, daß dieser Kampf schon entschieden ist. Wir haben
vorläufig nicht einmal die Wissenschaftler finden können, die aus Terrania entführt worden sind.
Dreierlei haben wir bisher in Erfahrung gebracht: Der Unbekannte besitzt außer seiner
eigentlichen Mannschaft noch eine unübersehbare Menge von Zuträgern. Das hat Michikai – den
Japaner, den Nyssen angestellt hatte – den Hals gekostet und Nyssen beinahe ebenso. Wir
wissen zweitens, wie die mechanisch-hypnotische Befehlsübermittlung des Unbekannten vor sich
geht. Wenn er sich über Visiphon mit seinen Leuten in Verbindung setzt, sind niemals die
gesprochenen Worte das Wesentliche, sondern die Wellenmuster auf dem Bildschirm. Die Frage ist
allerdings, ob er diese Art der Kommunikation noch beibehält, nachdem er als sicher annehmen
kann, daß wir hinter den Trick gekommen sind. Wir wissen drittens, daß der Unbekannte die
Aushebung seines japanischen Stützpunkts als empfindliche Schlappe empfinden muß. Wie wenig wir
auch immer erreicht haben, wir haben einen seiner Pläne vereitelt. Bis zu einem gewissen Maß
dürfen wir damit rechnen, daß er nervös werden und in den nächsten Tagen ein paar Fehler machen
wird, die uns vielleicht näher an ihn heranbringen.«
Rhodan war nicht so zuversichtlich, wie er sich gab. Er rechnete damit, daß der unheimliche
Gegner bald wieder zuschlagen würde.
6.
In knapp fünfhundert Meter Höhe raste das torpedoförmige Schulschiff der
Raum-Akademie über die roten Wüstenflächen des Mars dahin und wich geschickt den vereinzelten
Gipfeln des langgestreckten Randgebirges aus. Captain Hawk, einer der erfahrensten
Pilotenausbilder, saß vor den Kontrollen und zeigte seinen beiden Schülern, wie man selbst mit
einem großen Schiff behende allen Hindernissen aus dem Weg gehen konnte.
Schulschiff Z-82 war etwa dreißig Meter lang und barg Platz für drei Mann Besatzung. Es konnte
annähernd Lichtgeschwindigkeit erreichen.
Kadett Klaus Eberhardt saß links von dem Ausbilder und versuchte, die Bedeutung der unzähligen
Bedienungsgriffe zu memorieren. Nicht, daß er dumm gewesen wäre, im Gegenteil. Aber er konnte
selbst nicht leugnen, daß er ein bißchen langsam begriff. Nicht immer, aber meistens dann, wenn
es darauf ankam. Das war sein einziger Fehler.
Rechts vom Ausbilder saß ein zweiter Kadett. Im Gegensatz zu Eberhardt war er schlank, groß
und fast hager. Dunkelbraune Haare umrahmten die obere Hälfte seines ovalen Gesichts, in dem zwei
braune Augen sanft und etwas träumerisch dreinblickten. Kadett Julian Tifflor, von seinen
Freunden und Mitschülern einfach Tiff genannt, verstand es unbewußt, seine Umwelt gewaltig zu
täuschen. Hinter den träumerischen Augen verbarg sich ein starker Wille. Trotz seiner zwanzig
Jahre war Tiff ein mathematisches Genie und ein Musterbeispiel an Entschlossenheit. Er war einer
der besten Schüler der Anstalt.
Captain Hawk zeigte schräg nach vorn. »Sie sehen dort den Berggipfel, meine Herren? Gut. Ich
steuere das Schiff so nahe wie möglich an ihn heran, ehe ich abschwenke. Beachten Sie dabei die
Reaktionsfähigkeit von Z-82. Natürlich ist sie im freien Raum nicht ganz so groß, weil wir in
Bodennähe außerdem noch die atmosphärischen
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