Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
daß der Overhead beabsichtigt hatte, diesen Fluchtweg nur ein einziges
Mal zu benutzen.
Mit wahnwitziger Beschleunigung schoß das Schiff senkrecht nach oben und verließ wie ein
riesiges Geschoß seinen einhundert Meter langen Lauf, um in Sekundenschnelle im Blau des
wartenden Himmels einzutauchen und zu verschwinden.
Rhodan verließ die GOOD HOPE V – auch kurz K-5 genannt – in dem
Augenblick, als Roster Deegan an der Oberfläche erschien und mit ausdruckslosen Augen Tatjana
entgegensah, die auf ihn zuging und behutsam versuchte, ihm seinen eigenen Willen
zurückzugeben.
Das Mutantenkorps löste die Roboter und Soldaten ab und übernahm die Sicherung. Der Telepath
John Marshall blieb neben Rhodan.
Er sagte: »Tatjana teilt mit, daß noch zehn Mutanten außer Deegan in der Festung weilen. Ein
posthypnotischer Befehl zwingt sie, die Anordnungen des Overhead zu befolgen. Sie müssen einzeln
von dem Willen Monternys befreit werden.«
»Was ist mit den Gefangenen des Overhead? Hat Tatjana nichts in Erfahrung bringen können?«
»Doch, aber nicht eindeutig. Sie glaubt, daß sie sich in der Festung aufhalten.«
»Gut.« Rhodan sah sich um. »Dann kann der Kampf der Mutanten beginnen. Ich werde mich selbst
um Monterny kümmern.«
Er nahm seinen Psychostrahler und schritt auf Tatjana und Deegan zu, die sich im schweigenden
Duell gegenüberstanden.
Dicht daneben lag der Eingang zum Labyrinth. Stufen führten in die Tiefe.
»Ich komme mit Ihnen«, sagte Marshall zu Rhodan. »Ebenfalls Sengu, Anne Sloane und Betty
Toufry. Sengu kann uns vor jeder Gefahr warnen, während die beiden Telekinetinnen jeden Angreifer
solange festhalten können, bis wir den Hypnoblock sprengen.«
Gerade das geschah in diesem Augenblick bei Roster Deegan. Der Mann schüttelte den Kopf. Er
nahm Tatjanas Hand. »Ich verstehe zwar noch nicht alles, aber ich beginne zu ahnen, was geschah.
Zählen Sie auf mich. Befreien Sie auch die anderen.«
Rhodan trat hinzu. »Kommen Sie, Tatjana. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Niemand weiß, welche
Teufelei der Overhead wieder vorbereitet.«
Roster betrachtete Rhodan forschend, sah ihm lange in die Augen und streckte ihm dann die Hand
entgegen. »Sie sind Rhodan. Ich kenne Sie von Bildern. Es wird Ihnen sehr daran gelegen sein, Ihr
Mutantenkorps zu vergrößern. Wenn das so ist, warten unten in der Festung noch zehn Menschen
darauf, sich Ihre Freunde nennen zu dürfen. Aber – sie sind noch nicht frei.«
Tatjana zeigte auf ihren und Rhodans Psychostrahler. »Aber bald.«
Sie begegneten auf dem Gang zur Zentrale dem ersten Telekineten.
Rhodan fühlte sich plötzlich zur Seite geschleudert und konnte nur mit Mühe verhindern, daß er
mit dem Kopf gegen die Felswand prallte. Er ließ sich zu Boden rutschen, um vorerst der
Aufmerksamkeit des Verteidigers der Festung zu entgehen. In aller Ruhe richtete er dann seinen
Strahler gegen die schattenhafte Gestalt, die sich nur undeutlich gegen das Ganglicht abhob.
Eindringlich gab er seine Befehle. Als der inzwischen herbeigeeilte André Noir mit hypnotischer
Gewalt die geistige Sperrmauer durchbrach und seine Gegenbefehle in das Gehirn des Mutanten
pflanzte, zersplitterte die Macht des Overhead.
Rhodan war vorsichtig genug, dem Telekineten einen posthypnotischen Befehl mit Hilfe des
Psychostrahlers zu geben.
Schritt für Schritt drangen sie weiter in das vom Overhead verlassene Reich vor. Verbissen
verteidigten es die von ihm noch beherrschten Mutanten, aber nach und nach brach auch dieser
Widerstand.
Wo war der Overhead?
Rhodan sah sich um. »Ras Tschubai?«
Die Gestalt des riesigen Afrikaners schob sich heran.
»Haben Sie alle Räume untersucht?«
Der Teleporter hob die Hand. »Es gibt in diesem Fuchsbau so viele Korridore, Gänge und
Kammern, daß man niemals sicher sein kann, ob man überall gewesen ist. Die Zentrale jedenfalls
habe ich gefunden. Sie ist leer. Von Monterny keine Spur.«
»Und die Wissenschaftler?«
Ehe Ras antworten konnte, sagte Sengu, der Späher: »Sind in einem Verlies eingesperrt –
ein ganzer Komplex mit regelrechten Wohnkammern. Es führt ein Lift hinab zu ihnen.« Der Japaner
blickte schräg nach unten auf den Boden. »Jemand muß sie gefunden haben, denn ich kann eine
Gestalt sehen, die sich an der Tür zu dem Gefangenenkomplex zu schaffen macht. Ich kann sie nicht
erkennen.«
Betty Toufry, Telepathin und Telekinetin zugleich, drängte sich heran.
»Ich empfange die Gedanken
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