Silberband 008 - Festung Atlantis
nicht.«
Rous wurde blaß. Harras hatte nur zu recht. Wenn sich die Tür zur Zentrale erst einmal
geschlossen hatte, gab es kein Entrinnen mehr. Der Erste Offizier konnte zehn Minuten sprechen,
das würde genügen, um in Wirklichkeit fast zwei Jahre vergehen zu lassen.
Ihm wurde plötzlich trotz der normalen Temperatur siedend heiß.
Wie lange weilten sie eigentlich schon in der fremden Zeitebene?
Rous riß sich zusammen. »Sie haben recht, Harras. Wir müssen uns beeilen. Ich schätze, es wird
noch einige Stunden dauern, ehe die Tür geschlossen ist. Rufen Sie Ragow, Noir und Josua herbei.
Sie müssen uns helfen. Nehmen Sie aber gleich einen Mann von hier mit. Ich kümmere mich um
Becker.«
Er schaltete das Antigravfeld seines Anzugs ein, faßte Becker um den Leib und manövrierte ihn
vorsichtig auf den Gang hinaus. Becker war starr und steif wie aus Glas, aber in der
Schwerelosigkeit ließ er sich leicht bewegen. Draußen klärte er Steiner auf, der herbeigekommen
war und seine Schiffstrümmer vergessen hatte. Die neue Aufgabe war dringlicher und außerdem
interessanter.
Auch der Physiker eilte ins Schiff, um sich ein Besatzungsmitglied zu holen.
Rous schaltete seinen Schutzschirm ein und stieg zusammen mit Becker auf. In einer Höhe von
zehn Kilometern ging er auf Geschwindigkeit und erlebte das ›Erwachen‹ seines Kadetten. Zuerst
bewegte sich der Mann nur unmerklich, aber dann wurden die Anzeichen deutlicher, daß sich die
beiden Eigenzeiten einander näherten, bis sie synchron verliefen.
Die aufgerissenen Augen verrieten nur zu deutlich Beckers Gefühle. Rous winkte ihm zu und
sagte: »Ich werde Ihnen alles erklären. Reden Sie nicht.«
Becker starrte in die Tiefe, wo die Oberfläche des Planeten unter ihm dahinglitt, als Rous auf
fünf Sekundenkilometer ging und dann, nach einer weiten Kurve, in die alte Richtung zurückflog
und dabei die Geschwindigkeit verringerte. Schließlich landeten sie wieder auf dem Planeten bei
der K-7.
Rous schaltete Schutzschirm und Schwerkraftfeld ab.
»Willkommen, Kadett Becker«, sagte er. »Nun können Sie fragen. Meine Begleiter werden
inzwischen Ihre Kameraden befreien. Sie sind sich ja wohl hoffentlich klar darüber, daß Sie
Gefangene waren. Gefangene einer anderen Zeit.«
Becker nickte langsam, sah sich um und flüsterte scheu: »Wie kommen Sie hierher? Was sagt
Sikermann?«
Rous wurde blaß und sah seine seltsamen Vermutungen bestätigt. »Seien Sie ganz ruhig, Becker.
Können Sie sich genau an das erinnern, was geschehen ist? Wissen Sie noch, wie alles kam?«
Befremdet nickte Kadett Becker. »Natürlich kann ich das. Sie schickten mich in das Haus. Dann
war mir, als zerre mich etwas aus der Welt des Sichtbaren – es muß eine Art gewaltsame
Teleportation gewesen sein –, denn als ich Sekunden später die Augen wieder aufschlug, war
ich hier. Nur einen Augenblick stand ich mit Horrahk und Jeffers allein auf dem Plateau, da
materialisierte dicht bei uns die K-7 mit ihrer gesamten Mannschaft. Wir begriffen nicht, was
geschah, aber der Erste Offizier, Leutnant Hiller, befahl uns in die Zentrale. Er glaubte, eine
Erklärung gefunden zu haben. Er hatte kaum einige Sätze gesprochen, da geschah etwas
Merkwürdiges.«
Rous' Gedanken begannen zu wirbeln. Er ahnte bereits die ganze Wahrheit und fürchtete sich
davor, die Konsequenzen zu ziehen. Denn was für Becker und seine Gefährten zutraf, hatte auch für
ihn und seine Leute Gültigkeit.
Oder nicht? Schließlich hatten sie ihre Eigenzeit nicht eingebüßt, wenn sie sich auch in der
fremden Dimension aufhielten.
»Was geschah?«
»Es war so ähnlich wie zuvor. Ich sah Leutnant Hiller vor meinen Augen allmählich
verschwinden, als schöbe sich eine Wolke zwischen ihn und mich. Etwas zog mich davon, aber ich
bemerkte die Veränderung nicht so schnell. Ich sah überhaupt nichts mehr – und dann sah ich
Sie.«
Rous verstand. Ehe Beckers Nerven die Reflexe weitergeben konnten, war die Umwandlung bereits
vor sich gegangen.
»Wir haben unsere Eigenzeit behalten, wenn wir uns auch in einer fremden Zeitebene aufhalten,
Becker. Steiner kann Ihnen das später erklären. Wir fanden ein Mittel, Lebewesen und auch Materie
aus der anderen Dimension in die unsrige zu holen. So befreiten wir Sie. Die Frage ist nur: Was
geschieht mit der Kaulquappe? Sie ist zu groß, als daß wir auch sie aus dem Zeitgefängnis holen
könnten.«
Becker schüttelte den Kopf. »Ich werde noch
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