Silberband 008 - Festung Atlantis
des Steuerns abnahm. Es war kein Wunder, daß sich an den Straßenrändern der
Versuchsabschnitte das Publikum drängte und den Testfahrzeugen der Polizei zusah, deren
Chauffeure ostentativ die Hände hinter dem Kopf gefaltet hielten, um zu zeigen, daß sie mit der
Steuerung tatsächlich nichts mehr zu tun hatten. Der Aufregung zufolge, mit der die Mirsalesen
dieses Schauspiel betrachteten, wurden Rous und seine Begleiter fast überhaupt nicht
beachtet.
Die Häuser auf beiden Straßenseiten waren großzügig und offenbar ohne Rücksicht auf Kosten
gebaut. Sie waren sechseckig, wie alle Häuser auf Mirsal II, und von Gärten umgeben.
Im übrigen enthielten die Gebäude, manche davon so hoch wie alte New Yorker Wolkenkratzer, im
Erdgeschoß gewöhnlich Läden, in den darüberliegenden Stockwerken Büros oder Wohnungen. Bis auf
die fremdartigen Inschriften über den Ladengeschäften hätte diese Stadt auf der Erde liegen und
von einem besonders phantasiebegabten Architekten errichtet worden sein können.
Rous, Rosita und Lloyd schlenderten die Straße hinab. Lloyd hielt seine Mappe unter den Arm
geklemmt wie ein Schüler, der sich Mühe gibt, seine Tasche nicht zu verlieren.
Sie mochten von der Stelle aus, an der sie die Untergrundbahn verlassen hatten und ans
Tageslicht hinaufgefahren waren, etwa einen Kilometer gegangen sein, als Lloyd plötzlich
stehenblieb und sich umsah.
»Warten Sie«, sagte er leise, aber aufgeregt. »Da ist etwas im Gange.«
Rous und Rosita waren ebenfalls stehengeblieben. Lloyd starrte die Straße hinauf, aber dort
oben gab es nichts anderes zu sehen als das übliche Verkehrsgewühl.
»Was ist?« fragte Rous.
Lloyd winkte ungeduldig ab.
»Die Fremden!« stieß er hervor. »Ganz in der Nähe! Ich spüre sie!«
Rous lief ein Schauer über den Rücken. Die Mirsalesen standen immer noch an den Straßenrändern
und sahen voller Begeisterung den Testwagen der Polizei zu.
»Jetzt!« schrie Lloyd erstickt. »Jetzt kommen sie!«
Er hatte das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, als müsse er Schmerzen ertragen. Mit
mechanischen Handbewegungen öffnete er die Tasche, die er unter dem Arm getragen hatte und zog
einen der kleinen Schirmfeldgeneratoren hervor, wie sie in Transportanzügen arkonidischer
Herkunft und, in größerer Ausgabe, in Raumschiffen untergebracht waren.
Rous wußte nicht, was er damit wollte. Rosita stieß einen schrillen Schrei aus und zeigte mit
ausgestreckten Armen die Straße hinauf.
»Dort …!« keuchte sie.
Rous sah an ihrem Arm entlang. Er sah, wie weit oben über der ganzen Breite der Straße die
Luft zu flimmern schien. Er sah, daß hinter dem Vorhang aus flimmernder Luft die Bürgersteige
frei von Mirsalesen waren und wie die Autos, die bisher in geordneter Bahn gefahren waren, wild
durcheinanderwirbelten, teilweise auf den Bürgersteig hinauffuhren, gegen Hauswände prallten und
zusammenstießen.
Der Vorhang schien näherzurücken. Es war ein zum Wahnsinn reizender Anblick, wie die
Eingeborenen von der Straße verschwanden und die führerlosen Fahrzeuge ihr närrisches Spiel
begannen.
Die Mirsalesen am Straßenrand wurden aufmerksam. Die Straße stieg nach Norden hin sanft an, so
daß sie gut zu übersehen war. Jeder beobachtete mit eigenen Augen, wie ein Vorhang, der lebende
Wesen unsichtbar machte, immer weiter über die breite Straße gezogen wurde.
Wenige Sekunden später begann die Panik. Heulend, schreiend, schiebend und stoßend setzte sich
die Menge in Bewegung – die Straße hinunter, weg von dem Entsetzlichen, Unbegreiflichen, das
da herankam.
Rous, Lloyd und Rosita flüchteten zur Seite. Am Rand eines Gartens überstanden sie den Ansturm
der Flüchtenden und starrten der flimmernden Wand entgegen, die die Straße herabkam.
Sie schien ihre Geschwindigkeit vergrößert zu haben.
Lloyd erwachte plötzlich aus seiner Starre.
»Halten Sie einen fest!« rief er Rous zu.
Rous verstand nicht, was er meinte. Lloyd deutete auf die flüchtenden Mirsalesen.
»Einen von denen!« schrie er. »Schnell, wir haben keine Zeit mehr!«
Rous griff wahllos einen aus der Menge der Flüchtenden heraus. Der Mann wehrte sich, aber
Rous' Kräften war er nicht gewachsen.
Die Wand war näher herangekommen.
Schlaff hing der Mirsalese in Rous' Armen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die drei
Terraner an, stöhnte und sagte kein Wort.
»In die Mitte nehmen!« verlangte Lloyd.
In diesem Augenblick begriff Rous zum erstenmal,
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