Silberband 010 - Thora
jemals lösen konnten.
Rous dachte an Ernst Ellert. Ellert würde niemals ein Schiff der Druuf besteigen – nein,
natürlich nicht. Warum sollte er auch? Oder vielleicht doch? Die Sache, deretwegen er zur Erde
gerufen hatte – war sie vielleicht so wichtig, daß er ihretwegen auch Dinge tun würde, die
er sonst nicht tat? Weswegen hatte er eigentlich gerufen? Was war los?
Marcel Rous sah plötzlich einen Druuf vor sich, schwarzhäutig, kugelköpfig und riesengroß. Er
schien auf ihn zuzukommen, und Rous war völlig sicher: Dieser Druuf war Ernst Ellert. Es war der
Druuf, in dessen Körper Ellerts Geist wohnte, während sein menschlicher Körper scheintot im
Mausoleum von Terrania lag.
Was wollte er?
Marcel Rous wollte zur Seite weichen, aber etwas hielt ihn fest. Der Druuf kam weiter auf ihn
zu, als wollte er ihn umrennen. Aber als er ihn berührte, da verschmolz er mit ihm und wurde eins
mit ihm. Er wußte plötzlich, was der Druuf dachte, und als er den Mund öffnete, um zu sprechen,
da geschah es auf den Wunsch und mit den Gedanken des Druuf, in dessen Körper Ernst Ellert
wohnte.
Für die Umstehenden war der Vorgang mehr verblüffend als erschreckend. Als erstem fiel Conrad
Deringhouse auf, daß Captain Rous in seine eigenen Gedanken versunken war, anstatt zuzuhören. Er
ließ ihn eine Weile gewähren, dann machte er eine Bemerkung darüber. Rous schien sie nicht zu
hören. Er starrte weiter vor sich hin und schien über ein äußerst wichtiges Problem
nachzudenken.
Plötzlich weiteten sich seine Augen. Er schien etwas zu sehen, was die anderen nicht sehen
konnten. Deringhouse wollte zugreifen, ihn an den Schultern packen und wachrütteln. Aber etwas
warnte ihn davor. Aus einem Grund, den er selbst nicht kannte, war er davon überzeugt, daß etwas
Wichtiges im Begriff stand, sich zu ereignen, und daß er am besten beraten war, wenn er und alle
anderen sich völlig still verhielten.
Er hörte daher auf zu sprechen und gab den anderen ein Zeichen, ebenfalls ruhig zu sein.
Marcel Rous machte einen Versuch, sich zu bewegen. Es sah so aus, als wolle er einen Schritt
zurück und zur Seite treten. Deringhouse hatte den Eindruck, er müsse jemand ausweichen. Aber
schließlich blieb er doch stehen. Etwas schien ihn zu lähmen. Sein Gesicht nahm einen
verwunderten, dann ängstlichen und schließlich entsetzten Ausdruck an. Auf dem Höhepunkt des
Entsetzens entspannte es sich jedoch plötzlich, und Rous atmete auf.
Dann begann er zu sprechen. Die Worte kamen unbeholfen und mit einer Stimme, die nicht Rous zu
gehören schien.
»Erschrecken Sie nicht«, sagte die Stimme. »Ich bin nicht betrunken, ich muß mich nur erst an
den Kehlkopfbau dieses Mannes gewöhnen.«
Das klang ungeheuerlich. Wer war der Mann, der aus Rous sprach?
»Ich bin Ernst Ellert«, sagte Rous. »Ich befinde mich seit einiger Zeit im Körper des
Druuf-Wissenschaftlers Onot, der mir viele Geheimnisse seines Volkes verraten hat. Ich wähle
diesen Weg, um mich Ihnen verständlich zu machen, weil alle anderen bisher versagt haben. Ich
bitte Sie, nicht lange darüber nachzudenken, wie es mir gelungen ist, von Marcel Rous' Körper
Besitz zu ergreifen. Hören Sie mir lieber zu. Die Sache ist wichtig genug. Einverstanden?«
»Einverstanden«, antwortete Deringhouse, ohne zu wissen, was er sagte.
»Gut. Dann können wir anfangen«, sagte Rous. Ellert schien sich mit der Zeit an den fremden
Sprechapparat zu gewöhnen. Die Worte kamen flüssiger, aber immer noch mit eigenartigem Tonfall.
»Einem unserer Schiffe – ich meine: einem Druuf-Schiff ist es vor kurzem gelungen, die
arkonidische Blockade zu durchbrechen und in das Arkon-Universum vorzustoßen. Weit jenseits der
Überlappungszone stieß es auf ein treibendes Feindschiff, das von Verbündeten der Arkoniden
bemannt war und vier Gefangene an Bord hatte. Terraner. Die Druuf ließen die Verbündeten der
Arkoniden, wo sie waren, nahmen jedoch die Gefangenen zu sich an Bord. Jetzt kommt das Wichtige:
Ich konnte nicht erfahren, wer die Gefangenen sind. Die ganze Sache wird streng
geheimgehalten. Man hat die Gefangenen auf dem sechsunddreißigsten Planeten dieses Systems
untergebracht, einer jupiterähnlichen Methanwelt, und an einem der nächsten Tage wird sich eine
Kommission hoher Beamter dorthin auf den Weg machen, um die Gefangenen zu verhören. Das läßt nur
einen Schluß zu: Bei den vier Gefangenen handelt es sich um äußerst wichtige Leute. Und wenn
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