Silberband 010 - Thora
Liliputwelt, brodelnden, langsam wieder erstarrenden
verglasten Fels auf zwanzig Kilometer Breite hinter sich zurücklassend.
Zwei Stunden später gab es auf der Oberfläche keinen Widerstand mehr. Rhodan beorderte die
Kampfroboter zurück. Dieser Einsatz hatte siebenundsechzig Kampfmaschinen gekostet, aber nicht
einmal einen Verwundeten in seiner Besatzung.
Trotzdem war der Kampf noch nicht zu Ende.
Sie mußten in Siliko V hinabsteigen, dort hinunter, wo das positronische Schaltaggregat
und die Kraftanlagen steckten – und wo Thora verborgengehalten wurde.
Perry Rhodan glaubte nicht mehr daran, seinen Sohn Thomas lebend wiederzusehen.
Achtzehn Kilometer unter der Oberfläche von Siliko V herrschte in dem Raum, der
Thomas Cardif zum Aufenthalt angewiesen worden war, die Stille einer vollständigen Isolation.
Er empfand sie nicht.
Er wußte nicht, wie der abgesperrte Raum aussah, in dem er sich aufzuhalten hatte. Eine
seelische Erschütterung hatte ihn in ihrem Griff.
Vor wenigen Stunden war er hierher gebracht worden, nachdem es kurz nach seiner Gefangennahme
zu einer folgenschweren Zusammenkunft mit Thora gekommen war. Thora hatte ihn mit ›Perry‹
angeredet. Mit einem Schlag wurde ihm bewußt, was das bedeutete. Schon oft war er mit Rhodan
verwechselt worden, aber Thoras Ausruf hatte ihm die Augen geöffnet.
Er war einundzwanzig Jahre alt.
Er war Perry Rhodans Sohn, und Thora war seine Mutter.
Vor seinem geistigen Auge zog sein junges Leben noch einmal vorüber.
Er hatte es gut gehabt, soweit seine Erinnerung zurückreichte, aber er hatte weder als Kind
noch als heranwachsender Junge die Nestwärme innerhalb eines Elternhauses erlebt.
In diesen Stunden begriff er, was ihm vorenthalten worden war, er begriff jedoch nicht, warum
Perry Rhodan und Thora so an ihm gehandelt hatten.
Er wollte es nicht begreifen. Blut seiner arkonidischen Mutter wallte in seinen Adern, und es
ließ Zorn, Verachtung und eiskalte Wut in ihm groß werden.
»Ich heiße Thomas Cardif, Perry Rhodan, und ich werde auch als Thomas Cardif sterben!« Er
lauschte seinen zornigen Worten nach und fand Gefallen daran.
Die Roboter des Zwergmonds Siliko V hatten ihn und Thora getrennt untergebracht. In achtzehn
Kilometer Tiefe an Flucht zu denken, war illusorisch.
Plötzlich hörte Thomas Cardif sich lachen. Es war zorniges, verbissenes Lachen, und er rieb
sich dabei voller Zufriedenheit die Hände.
Er wollte nicht fliehen. Warum auch?
Arkon war seine Heimat. Diesen Perry Rhodan haßte er, wie ein Arkonide zu hassen versteht.
»Rhodan, du hast mich betrogen. Jetzt will ich dorthin, woher ich meine rötlichen Augen
habe – nach Hause, nach Arkon.«
Er begann, in dem luxuriös ausgestatteten Raum erregt im Kreis zu laufen. Hin und wieder
blickte er im Vorbeigehen in den Spiegel, und der Spiegel zeigte ihm das Gesicht, das er aus
tiefster Seele haßte: Perry Rhodans Gesicht.
Die Mutter – ihr Aufschrei gellte noch in seinen Ohren nach –, wie mußte sie
gelitten haben, ihren Jungen nicht in die Arme schließen zu können, nur weil es dieser Perry
Rhodan untersagt hatte.
Hier in achtzehn Kilometer Tiefe, von Arkon-Robotern eingesperrt, glaubte er zu begreifen,
warum Thora nach Rusuf gekommen war: Sie hatte zu ihm gewollt, entgegen allen unmenschlichen
Befehlen dieses Diktators.
»Perry Rhodan, du hast in mir nicht den Sohn, aber den Mann gesehen, der dir einmal hätte
gefährlich werden können. Rhodan, jetzt wird es wahr! Mein Leben kennt nur noch eine Aufgabe:
dich zu vernichten.«
Er haßte mit der Intensität, wie nur junge Menschen zu hassen verstehen. Er glaubte logisch zu
denken und trat in Wirklichkeit jede Logik mit den Füßen. Sein arkonidisches Blut beherrschte
ihn. Darum fiel es ihm leicht, seiner Mutter alles zu verzeihen, für ihr gesamtes Handeln
Erklärungen zu finden, die für sie sprachen – aber Perry Rhodan?
Dumpfes Grollen aus unbestimmbarer Richtung riß ihn aus seinen Haßgedanken kurz in die nackte
Wirklichkeit zurück. Thomas lauschte, glaubte zu spüren, daß der Boden unter seinen Füßen
zitterte, blickte zufällig in den Spiegel und sah darin Perry Rhodan.
Seine Hand ergriff etwas Schweres.
»Da!« schrie er voller Wut und schleuderte den Gegenstand mit einer derartigen Wucht gegen den
Spiegel, daß sich die Metallfläche unter dem Aufprall verbog und keine deutliche Wiedergabe mehr
brachte.
Er lachte zornig.
Vor ihm auf dem Tisch stand die kleine
Weitere Kostenlose Bücher