Silberband 010 - Thora
Zähnen hindurch.
»Was sagt er?« fragte er knapp.
Betty zuckte hilflos mit den Schultern. »Das ist es eben. Ich konnte kaum etwas verstehen. Die
Impulse kamen aus dem Mausoleum. Wenn ich nicht zufällig in der Nähe gewesen wäre, hätte ich
überhaupt nichts davon gemerkt. Sie waren so schwach, als kämen sie aus tausend Lichtjahren
Entfernung – oder noch mehr.«
Ihre beiden Zuhörer schwiegen.
»Das Ganze dauerte etwa fünf Minuten«, fuhr Betty hastig fort. »Das einzige, was ich
verstanden habe, war: ›Kommt schnell!‹ Wohin oder weswegen – das muß mir entgangen
sein.«
Deringhouse und Freyt warfen einander einen kurzen Blick zu.
»Über das Wohin machen Sie sich keine Sorgen«, tröstete Deringhouse die Telepathin und glitt
vom Schreibtisch herunter. »Sie sind über die Vorgänge kurz vor und nach Rhodans Tod wenig
informiert, deshalb wissen Sie nicht, wo Ellert sich aufhält. Wir wissen es dafür um so besser.
Über das Weshalb hätten wir allerdings gerne mehr gewußt. Hatten Sie den Eindruck, daß Ellert
sich vor etwas fürchtet?«
Man sah Betty an, daß sie sich zu erinnern versuchte.
»Ja – und nein«, antwortete sie mit einem kleinen, verlegenen Lächeln. »Wissen Sie: Er
hat gewiß Angst, aber diese Angst bezieht sich anscheinend nicht auf ihn selbst, sondern auf
jemand anders. Es war so, als riefe er für einen Dritten um Hilfe.«
Deringhouse sah auf.
»Und er sagte: Kommt schnell! Nicht wahr?« wiederholte er.
»Ja, das war das einzige, was ich verstehen konnte«, bestätigte Betty.
Deringhouse stand jetzt vor ihr. Er wandte den Kopf und sah Marschall Freyt fragend an.
»Wir wissen nicht, was es bedeutet«, sagte er leise, als wüßte er schon, wie Freyt sich
entschieden hatte.
»Eben deswegen müssen wir uns darum kümmern«, erklärte Freyt und stand auf. »Betty, haben Sie
etwas dagegen einzuwenden, daß ich Ihren Urlaub unterbreche?«
Betty lächelte.
»Nicht das geringste, Marschall Freyt«, antwortete sie.
»Dann halten Sie sich bis auf weiteres in der Nähe des Mausoleums auf«, erklärte Freyt. »Wir
möchten es nicht versäumen, wenn Ellert sich zum zweitenmal meldet. Übrigens: Wo steckt
eigentlich dieser eingebildete Mausbiber?«
Deringhouse zuckte mit den Schultern. »Ich bin nicht darüber unterrichtet, was Wesen seiner
Art mit ihrem Urlaub anfangen. Aber sicher könnte man ihn sofort erreichen.«
Betty lachte plötzlich.
»Ich habe ihn vor ein paar Stunden gesehen«, sagte sie lustig. »Er rief mich, ich sollte mir
seinen Garten ansehen.«
»Garten«, stießen Freyt und Deringhouse wie aus einem Mund hervor.
Betty nickte.
»Ja. Er hat sich ein kleines Stück Land gekauft und pflanzt – Mohrrüben.«
Ein paar Sekunden war es gefährlich still in Marschall Freyts großem Arbeitszimmer. Aber dann
lachten alle drei auf einmal los.
Der Ausbruch der Heiterkeit legte sich erst nach geraumer Zeit, in dem Augenblick nämlich, in
dem Betty plötzlich zu lachen aufhörte und ein verdutztes Gesicht machte.
»Was ist los?« keuchte Freyt, um Atem ringend.
Betty antwortete nicht. Ihre Stirn bekam Falten, die Augen schlossen sich halb. Es war
unverkennbar, daß sie sich mit jemand auf jenem Wege ›unterhielt‹, der der großen Menge der
Menschen für immer verschlossen bleiben würde: auf dem Wege der Telepathie.
Als Betty die Augen wieder öffnete und Freyt ansah, schien sie kurz vor einem neuen Lachanfall
zu stehen.
»Er beschwert sich«, erklärte sie, »daß wir über ihn lachen.«
»Er? Wer?«
»Gucky, der Mausbiber.«
»Du liebe Güte«, ächzte er. »Kann er das über die Entfernung hören?«
»Er sagt, es war intensiv genug«, antwortete Betty. »Er gibt zu bedenken, daß es um die
ernährungspolitische Situation des Solaren Imperiums wesentlich besser bestellt wäre, wenn jeder
das täte, was er tut: seinen Bedarf an Nahrung selbst erzeugen.«
Conrad Deringhouse verzog das Gesicht.
»Beim nächsten Einsatz wird er darauf bestehen«, sagte er, »einen Waggon selbstgezüchteter
Mohrrüben mitnehmen zu dürfen.«
Marschall Freyt war wieder ernst geworden. Deutlich war ihm noch jener Tag in Erinnerung, als
Gucky vom Tod Rhodans erfuhr. Obwohl ihn keine Schuld an diesem Ereignis traf, fühlte sich Gucky
mit dafür verantwortlich. Weit weg vom Schauplatz des Schreckens hatte Gucky einen Geheimauftrag
erledigt. Erst als er zur Erde zurückkehrte, erfuhr er, was sich auf Gray Beast ereignet hatte.
Voller Trauer und
Weitere Kostenlose Bücher