Silberband 012 - Der Anti
zusammenfiel und die Luft unerträglich heiß wurde, erhielt ich vom
Chef der fliegenden Funkstation das mit Bangen erhoffte Zeichen.
Der junge Offizier riß den Arm nach oben und winkte heftig. Ich ließ das Feuer sofort
einstellen und ging zu dem Wagen hinüber.
»Ein gewisser Segno Kaata möchte Sie sprechen!« rief mir der Leutnant zu. »Hier bitte,
Bildschirm drei. Kaata liegt genau auf unserer Bildsprechfrequenz.«
Rhodan klopfte mir auffordernd auf die Schulter. Eigenhändig riß er mir die Bioplastpolster
von Nase und Wangen. Ich gewann mein natürliches Gesicht zurück.
Mercant befreite mich von der dunkelhaarigen Perücke. Ich fuhr mit den Fingern durch mein
langes, weißblondes Haar und griff nach dem vorsorglich mitgenommenen Schulterumhang des
Imperators. Damit wurde die terranische Uniform bis zur Gürtellinie verdeckt.
So trat ich vor die Aufnahmeokulare der Bilderfassung. Auf dem Schirm war das hagere, faltige
Gesicht eines weißhaarigen Arkoniden mit rötlich gefärbten Augäpfeln sichtbar.
Er trug die weite, wallende Kleidung der Wissenschaftler, jedoch war sie mit symbolhaften
Zeichen versehen, die ich nie erblickt hatte. Ich zwang mich zur Ruhe. Jetzt kam es darauf
an.
Der Hohepriester lachte.
»Ich glaube Euch nicht«, erklärte er mit tiefer, wohltönender Stimme. »Der Angriff beweist,
daß Ihr auf das Gerät angewiesen seid. Nun gut, was sollte ich noch leugnen: Es befindet sich in
meinem Besitz.«
»Was Ihr wohl auch nicht mehr bestreiten könnt«, sagte ich kühl. »Ihr habt übersehen, daß es
Ortungsgeräte gibt. Die Verräter auf der Kristallwelt dürften zur Zeit verhaftet werden. Wir
haben den Fall klar aufgerollt. Ihr habt dabei nur zwei Fehler begangen, Segno Kaata. Einmal habt
Ihr die Aussagen eines nur Halbwissenden geglaubt, und zweitens habt Ihr mich unterschätzt. Oder
hattet Ihr angenommen, ich ließe mir eine solche Unverschämtheit bieten? Der Verrat des Terraners
Thomas Cardif ist für mich nebensächlich. Meinetwegen kann er jedermann erzählen, welche
Bedeutung der Zellaktivator für mich hat. Ich besitze immer ein Reservegerät.«
»Tatsächlich?«
Ich mußte mich zusammennehmen, um keinen Fehler zu begehen.
»Euer Glaube oder Euer Unglaube – wen kümmert es?« entgegnete ich.
»Warum greift Ihr dann meinen Tempel an, Euer Erhabenheit?«
»Um Euch zu zwingen, das Gerät auszuliefern. Ich bin nicht daran interessiert, wegen der
Beschaffung eines neuen Ersatzgeräts größte Schwierigkeiten auf mich zu nehmen.«
Das waren die verfänglichsten Worte während der makabren Diskussion mit einem Mann, der nicht
normal im Sinne des Wortes war. Natürlich mußte ich etwas tun, um auf den Kern der Sache zu
kommen. Ich mußte den Aktivator fordern, koste es, was es wolle. Wie erwartet, hakte er sofort
ein.
»Oh, der Verlust bringt Euch in Schwierigkeiten?« meinte der Hohepriester verbindlich. »Nun,
dann werdet Ihr es nicht wagen, auch den Hauptbau des Tempels zu zerstören, denn damit vernichtet
Ihr das Gerät.«
Ich griff zum letzten Mittel. Es blieb mir keine andere Wahl mehr. Entweder er erklärte sich
bereit, den Aktivator gegen Zusicherung einer gewissen Straffreiheit auszuliefern, oder er
riskierte die Flucht, um bei dem beginnenden Sturm sein Leben zu retten. Dabei konnte er
wahrscheinlich gefaßt werden. Mit der tatsächlichen Vernichtung des Aktivators würde er wohl
warten bis zum letzten Augenblick.
Ich lächelte spöttisch und blickte auf die Uhr. »Ihr rechnet mit den bewußten sechzig
Stunden?«
»Genau, Euer Erhabenheit«, entgegnete er gelassen. Er schien keine Nerven zu besitzen. Rasch
fügte er noch hinzu: »Wenn Ihr nach Ablauf von insgesamt fünfundsechzig Stunden noch fähig seid,
weitere Verhandlungen mit mir zu führen, habt Ihr mich vom Vorhandensein eines Ersatzgeräts
überzeugt. In diesem Fall werde ich Euch das Original ausliefern, um Euch – wie Ihr
behauptet – Schwierigkeiten zu ersparen. Da Euch die Sache etwas wert sein sollte, fordere
ich freien Abzug für meine Person.«
»Und Eure Priester?«
»Sie sind schuldlos. Sie waren an der Sache nicht beteiligt.«
Damit war ich am Ende angekommen. Dieser offenbar eiskalte Rechner hatte seine Möglichkeiten
erkannt. Mir blieb nun keine andere Wahl mehr, als den Vorschlag abzulehnen. Hätte ich
tatsächlich ein Duplikat besessen, wäre er akzeptabel gewesen.
Ich zwang mich zu einem nochmaligen Lächeln. Betont sorgfältig sah ich auf die Uhr.
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