Silberband 016 - Die Posbis
die heimatliche Milchstraße war, obwohl ihm diese Annahme schwerfiel. Denn wenn sie
richtig war, dann befand er sich rund zweihundertundvierzigtausend Lichtjahre von der Milchstraße
entfernt, und um ihn so weit zu transportieren, dazu hätte die Energie von einigen Dutzend
Großtransmittern nicht ausgereicht.
Es gab andere Lichtflecke ringsum, aber keiner von ihnen war so groß und so hell wie der, den
Meech zuerst entdeckt hatte. Sterne gab es überhaupt keine.
Er hatte sich ein Koordinatensystem ausgedacht, dessen Nullpunkt er selbst war. Die positive
x-Achse ging durch den hellen Fleck mitten hindurch. Dies hatte er seinem Gedächtnis eingeprägt,
und von da an war er in der Lage, durch fortwährende Beobachtung festzustellen, in welcher
Richtung und wie schnell er sich bewegte. Er ermittelte auch die eigenbezüglichen Koordinaten der
Lichtflecken und verglich sie mit den Werten, die sie nach dem galaktischen Sternenkatalog haben
sollten, indem er von seinem System in das galaktozentrische umrechnete. Dadurch gelang es ihm,
eine ziemlich exakte Positionsbestimmung durchzuführen, und diese stimmte mit seiner
ursprünglichen Vermutung, daß er etwa 240.000 Lichtjahre vom Rand der Milchstraße entfernt war,
überein. Ein weiteres, vorerst unlösbar scheinendes Problem war die Tatsache, daß er nicht in der
Lage war, einen Ortswechsel durchzuführen. Nachdem sein positronisches Gehirn eine Unzahl von
komplizierten Berechnungen durchgeführt hatte, stand für ihn fest, daß er sich in einer Art
Zeitfeld befand. Weitere Feinmessungen ergaben, daß es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein
Feld handelte, das auf der Basis der Zeitlinienverzerrung arbeitete.
Dies alles hatte Meech Hannigan schon zu Beginn seines unfreiwilligen Aufenthalts im Weltraum
festgestellt. Er war auch noch zu anderen Schlüssen gekommen. Der Transmitter der BOB-XXI hatte
weder die Kraft gehabt, ihn zweihundertvierzigtausend Lichtjahre weit zu befördern, noch wäre er
in der Lage gewesen, ein Transportobjekt stabil in ein anderes Universum zu tragen. Andere
Effekte mußten mit hineingespielt haben. Und logischerweise konnte Meech nichts anderes annehmen,
als daß die Ereignisse kurz vor der Explosion der BOB-XXI etwas damit zu tun hatten.
Warum befand er sich gerade an dieser Stelle? Gab es in der Nähe etwas, das dafür gesorgt
hatte, daß er gerade hierher befördert wurde? Wenn ja, dann befand sich dieses Etwas im
galaktischen Zeitsystem und war für Meech unbemerkbar. Dann hatten der Transporteffekt des
Transmitters und ein anderer, vorläufig unbekannter Effekt so ineinandergegriffen, daß gerade
dieses und kein anderes Ergebnis erzielt worden war.
Meech fing an, nach Wahrnehmungen höherer Ordnung Ausschau zu halten. Das war keine leichte
Aufgabe. Es war auch für einen Roboter schwierig, Effekte erster und zweiter Ordnung so
abzublenden, daß er die viel schwächeren der dritten oder vierten Ordnung erkennen konnte. Aber
er gab sich Mühe, und er hatte Erfolg.
Etwas war in seiner Nähe. Etwas, dessen energetische Ausstrahlungen zu einem winzigen
Bruchteil durch die Mauer zwischen den beiden Zeitsystemen drangen. Natürlich wußte Meech nicht,
was es war. Er konnte nur eines sagen: Terraner befanden sich nicht in seiner Nähe. Noch kein
irdisches Raumschiff war so weit in den Abgrund zwischen den Milchstraßen vorgestoßen.
Meech beschloß, eine Weile zu beobachten. Diese Weile dauerte ein halbes Jahr. Und jetzt, am
Ende des halben Jahres, befand er sich in einer höchst unangenehmen Situation. Er wußte, daß sein
Zustand nur metastabil war. Mit anderen Worten: Die Mauer zwischen den beiden Zeitsystemen war
niedrig und konnte jeden Augenblick zusammenbrechen.
Mit einem Mal erkannte er, daß er sich in einem Punkt geirrt hatte. Hatte er bisher
angenommen, daß – solange er in dem Feld zwischen den beiden Zeitsystemen gefangen
war – eine Nachricht an Wesen in seinem Zeitsystem unmöglich war, so wußte er
plötzlich, daß gerade dieser Umstand seine Rettung bedeuten konnte. Sein Hyperfunkgerät besaß nur
eine begrenzte Reichweite. Sie betrug unter günstigen Umständen etwa 5.000 Lichtjahre. Selbst
wenn er nicht in dieser Zeitmauer gefangen gewesen wäre, wenn er seinem Zeitsystem
angehört hätte, wäre es nicht möglich gewesen, die am Rand der Galaxis stationierten terranischen
Beobachtungsstationen zu erreichen. Aber die Zeitmauer ließ ihn hoffen, daß es dennoch
funktionieren
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