Silberband 016 - Die Posbis
könnte. Er hatte erkannt, daß das Zeitfeld seine Funksprüche um ein Vielfaches
verstärken würde, so daß zumindest eine Chance bestand, daß seine Notrufe die Distanz von 240.000
Lichtjahren überbrücken konnten. Meech handelte rasch. Sein Hypersender begann die Kodezeichen
auszustrahlen.
Die Signale legten einen weiten Weg zurück und kamen schließlich schwach und
verzerrt am Rand der Milchstraße an.
Zuerst empfing sie die VITTORIO, ein Wachkreuzer auf Patrouille vor dem Rand der Milchstraße.
Pal Jerome, der Dritte Offizier des Kreuzers, ließ sie auf Magnetband aufnehmen und positronisch
auswerten. Für Pal stand es fest, daß die Zeichen aus der gleichen Quelle kommen mußten, die sich
vor einem halben Jahr zum erstenmal gemeldet hatte. Damals hatte sie in leicht dechiffrierbaren
Zeichen die merkwürdige Frage gestellt: ›Seid ihr wahres Leben?‹
Der positronische Funkkode der Posbis war allen Dechiffriergeräten der terranischen Flotte
einverleibt worden. Pal rechnete damit, daß die Schiffspositronik ihm schon nach ein paar
Sekunden die Übersetzung des empfangenen Spruchs liefern würde. Er war ziemlich überrascht, als
sich selbst im Lauf einiger Minuten nichts ereignete und erst nach einer Viertelstunde die
Antwort kam: INFORMATIONEN UNGENÜGEND.
Pal fluchte wild und versuchte es mit anderen Kodes. Der Erfolg war immer der gleiche. Der
Kode, in dem die Botschaft abgefaßt war, war der Positronik der VITTORIO unbekannt. Und er war
auch zu kompliziert, als daß sie ihn von sich aus hätte entschlüsseln können.
Pal Jerome machte dem Kommandanten Meldung. Der Kommandant entschied, daß der Funkspruch dem
Solaren Geheimdienst zugeleitet werden mußte. Pal Jerome veranlaßte die Sendung. Fünfundzwanzig
Minuten, nachdem die VITTORIO das erste Zeichen empfangen hatte, war Marshall Mercant
informiert.
Mercant kannte den Kode. Er war von der Abteilung III der Interkosmischen Sozialen
Entwicklungshilfe entwickelt worden und wurde für unverletzlich gehalten. Mercant zögerte keine
Sekunde. Er ermittelte den Standort des Kreuzers VOLTA, mit dem Oberst Nike Quinto, Chef der
Abteilung III, unterwegs war, und gab der VITTORIO Anweisung, sich mit der VOLTA direkt in
Verbindung zu setzen.
Mit dem Gefühl, daß die Sache ziemlich wichtig war, setzte Pal Jerome eine zweite Hypersendung
auf und strahlte sie an die VOLTA aus, die hinter dem Sternhaufen M-13 kreuzte.
Das Merkwürdige war, daß der fremde Sender immer noch weiterfunkte, immer mit denselben
Symbolgruppen.
Dies war die fünfte Diskussion innerhalb vierundzwanzig Stunden, stellte Ron Landry
resignierend fest. Immer über das gleiche Thema – und immer ohne Erfolg.
Nike Quinto hatte sich in seinem Sessel weit nach vorne gebeugt. Sein Gesicht war röter als
sonst. Der Kranz sandgelber Haare um die zentrale Glatze herum war in Unordnung geraten. Nike
Quintos wulstige Lippen waren nach vorne gestülpt, zum Widerspruch bereit. Die Hände waren
gefaltet, und die dicken kurzen Finger kneteten einander in zunehmender Nervosität.
Larry Randall hatte den rechten Arm auf seine Sessellehne gestützt und das Kinn in die Hand
gelegt. Aufmerksam sah er Nike Quinto an und hörte ihm zu. Lofty Patterson, der grauhaarige Alte
von Passa, saß wie üblich weit im Hintergrund und machte nur ab und zu eine Bemerkung.
Einer fehlte, dachte Ron. Meech Hannigan. Er war jetzt seit einem halben Jahr verschwunden,
und es bestand keine Chance mehr, daß man ihn jemals wiederfinden würde. Merkwürdig, überlegte
Ron, wie sehr man an einem Robot hängen kann.
Die Diskussion fand im Aufenthaltsraum der VOLTA statt. Nike Quinto war nominell Kommandant
des Schiffes. Er überließ die Führung jedoch Commander Ellington und kümmerte sich nur um seine
eigenen Angelegenheiten. Der Raum war gemütlicher eingerichtet, als man es an Bord eines Schiffes
erwartet hätte.
Seit der Rückkehr des terranischen Einsatzkommandos von Frago waren die von dort mitgebrachten
Informationen Gegenstand unzähliger Diskussionen. Man fragte sich, wie es möglich war, daß sich
die Posbis, deren Haß gegen organische Intelligenzen bittere Tatsache war, erst jetzt um die
Milchstraße zu kümmern begannen, obwohl sie von der Existenz intelligenter Bewohner innerhalb
dieser Galaxis schon seit Jahrtausenden Kenntnis haben mußten. Alle Anzeichen sprachen dafür, daß
die Posbis sich schon seit vielen Jahrtausenden im intergalaktischen Leerraum herumtrieben
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