Silberband 018 - Hornschrecken
Geräusche kamen aus der Richtung der Funkzentrale. Es
hörte sich so an, als ob das Schott manuell geöffnet wurde.
»Was ist mit unserem Schiff los? Gesamte Funkanlage ausgefallen, Sir!« schrie ein Mann.
»Ruhe! Absolute Ruhe!« befahl Herzog. Für einen Moment schätzte er sich glücklich, daß es
stockdunkel war und niemand sehen konnte, wie er sich die schweißnasse Stirn abtrocknete.
Absolute Ruhe trat ein.
Die EXPLORER-2115 war nichts anderes als eine Stahlkugel von fünfhundert Metern Durchmesser,
mit tausend Menschen an Bord, die nicht mehr über ein einziges technisches Gerät verfügten.
Alles, was auf energetischer, positronischer oder elektronischer Basis gearbeitet hatte, lag
jetzt still.
In der Zentrale blieb jeder stehen, wo er stand.
»Meine Herren«, begann der Kommandant, »wir müssen uns sehr schnell überlegen, wie wir diesem
unglaublichen Zustand entgegentreten. Die Hauptschleuse scheint noch geöffnet zu sein. Das ist
unser Glück. Durch diese Öffnung erhalten wir Sauerstoff. Das heißt aber auch, daß es im ganzen
Schiff kein geschlossenes Schott mehr geben darf. Befehlsübermittlung geschieht per Läufer. Ich
benötige drei Mann, um das A-Deck zu informieren. Ich benötige für jedes Hauptdeck einen
Offizier, der dort die Leitung übernimmt …«
Gellendes Gelächter zerriß seinen Satz. Es dröhnte in der Zentrale, und es dröhnte im Kopf der
Männer. Fast alle erkannten es wieder.
» ES lacht uns aus!« rief jemand.
Andere fluchten ungehemmt.
Das Fiktivwesen hatte ihnen diesen Streich gespielt und die gesamte technische Einrichtung
ihres Schiffes stillgelegt.
Abrupt brach das höllische Gelächter ab. Eine Stimme klang auf. Auch sie war überall –
und in jedem Kopf.
»Verdammter telepathischer Spuk«, tobte ein Offizier.
ES kümmerte diese Verwünschung herzlich wenig.
Warum so garstig, liebe Freunde? vernahmen sie. Perry Rhodan versteht mehr Spaß als
ihr. Nicht nur der Tod kostet etwas, auch das ewige Leben. Und das ewige Leben findet ihr nur
dann, wenn ihr auch mit den Mitteln der Vergangenheit einen Weg zu ihm bahnt. Ihr habt doch
Köpfchen, Terraner, oder nicht?
Die letzte Bemerkung triefte vor Spott. Jeder einzelne fühlte sich angesprochen, aber niemand
kam dazu, ES drastisch die Meinung zu sagen. Jeder zuckte zusammen, als wieder dieses unheimliche
Lachen die Zentrale erfüllte.
Dann brach es abrupt ab. Der Telepathiekontakt war zu Ende.
In undurchdringliches Dunkel gehüllt, lagen alle Räume des Erkunderschiffs.
Drei Mann machten sich daran, das Schott zum Deck über pneumatischen Handbetrieb zu
öffnen.
»Keine Lifts benutzen!« rief Herzog den beiden Läufern nach, die sich aufmachten, das
dreihundert Meter tiefer gelegene Depot aufzusuchen. Ob sie innerhalb der nächsten beiden Stunden
zurück sein würden, blieb offen.
»Ist hier die Zentrale«, rief gut eine halbe Stunde nach Einsetzen der Finsternis vom Deckgang
ein Mann.
Herzog meldete sich. Der Läufer kam vom Polturm des Explorers.
»Sir, kommen Sie mit nach oben. Draußen in den Ruinen spukt es.«
Was dort spuken sollte, konnte der Läufer nicht sagen. Der Polturmoffizier hatte ihn mit dem
Auftrag zur Zentrale geschickt, den Kommandanten auf schnellstem Weg zum Turm zu bringen.
»Kommen Sie mit, Orff«, forderte Herzog den Wissenschaftler auf. An seinen 1. Offizier gab er
das Kommando ab.
Wie hoch der Polgeschützturm lag, erfuhren sie jetzt zum erstenmal.
Der erste Lichtschimmer tauchte vor ihnen auf. Sie schlängelten sich an den Strahlantennen der
Geschütze vorbei. Eine schmale Stahlleiter kam. Eine winzige Schleuse, deren beide Tore weit
geöffnet waren. Auf einer dreißig Meter durchmessenden Fläche, begrenzt durch einen fußhohen
Stahlwulst, empfing sie der Polturmoffizier.
»Na, wo spukt es denn hier?« fragte Herzog.
»Dort«, erwiderte der Mann und deutete zu den Ruinen der Stadt hinunter.
Orff blieb neben Herzog. Bis an den Stahlwulst der völlig geöffneten Kuppel gingen sie
heran.
»Großer Himmel!« rief der Kommandant. Mehr sagte er nicht. Was er sah, konnte er nicht
begreifen.
Aus den Ruinen wuchs eine Stadt.
Unsichtbare Kräfte sammelten an allen Stellen Trümmer. Unsichtbare Kräfte erbauten eine Stadt.
Unsichtbare Kräfte zogen den Turm hoch. Weit über hundert Meter schon ragte er in den
grünlichblauen Himmel.
Fremd sah die nächste Umgebung aus, vollkommen verändert.
Ein Fluß, der vor einer Stunde noch nicht existiert hatte,
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