Silberband 020 - Kampf gegen die Blues
»Sie müssen doch
etwas bemerkt haben!«
Ich zögerte mit der Antwort. Der Einsatz lag erst vier Wochen zurück. Ich war als Vogel
getarnt in die untergatasischen Fabriken, die größten dieser Welt, hineingeflogen und hatte mich
umgesehen.
Die einheimischen Natrals waren möwenähnliche Küstenbewohner, die aber von den Blues auch als
Ziervögel gehalten wurden. Sie waren gelehrige Sprecher, und man sagte ihnen eine gewisse
Intelligenz nach. Das Unternehmen war nicht einfach, aber auch nicht lebensgefährlich gewesen. Es
gab viele Natrals in den gatasischen Untergrundstädten.
»Eigentlich habe ich nur einen Unfall miterlebt«, erklärte ich den Experten. »Das Molkex wird
durch einfach aussehende Sprühanlagen berieselt. Dadurch wird und bleibt es nach einem kurzen
Aufwallen geschmeidig. Es kann von primitiven Maschinen gewalzt, geschnitten und anderweitig
geformt werden. Etwa zehn Stunden nach Beendigung der Berieselung wird es plötzlich wieder hart
und unangreifbar. Ich habe es genau verfolgen können. Wenn es nicht innerhalb des
Erweichungsstadiums verarbeitet und an Ort und Stelle eingebaut wird, kann es nicht mehr
angegriffen werden. Da versagt auch die Kunst der Blues.«
»Berieselt? Womit?« fragte Ohntorf erregt.
Ich seufzte. An Bord der LUVINNO war diese Frage schon so oft durchgesprochen worden, daß sie
mich nicht mehr beunruhigen konnte.
»Wenn wir das wüßten, Professor, wäre der Fall bereits erledigt. Es handelt sich um eine
intensiv blaue, ziemlich dickflüssige Substanz mit einem ätzenden Geruch. Ich habe eine Probe
davon erbeuten können. Die Analyse ist uns nicht gelungen. Allerdings möchte ich dazu sagen, daß
meine Brüder an Bord der LUVINNO keine labormäßigen Möglichkeiten besitzen, komplizierte
Untersuchungen vorzunehmen. Wir haben auch keine Wissenschaftler der entsprechenden Fachgebiete
unter uns. Die LUVINNO ist ein Kampfschiff, das speziell für die Befreiung der Gefangenen
ausgerüstet wurde. Ich setze alle Hoffnungen auf Sie.«
»Intensiv blau, dickflüssig und von ätzendem Geruch«, wiederholte Arando meine Worte. Seine
Augen hatten sich etwas zusammengekniffen. »Hmm …!«
»Sie sprachen von einem Unfall, Sir«, erinnerte Captain Isata.
»Er erfolgte kurz vor meinem Rückflug. Ich sollte in einen Käfig gesperrt werden. Etwas in der
Grundbearbeitung des Rohstoffes schien mißlungen zu sein. Das typisch kurze Aufwallen hörte nicht
mehr auf, sondern wurde zu einem Brodeln. Der angefeuchtete Molkexballen, ein Stück von etwa drei
Metern Länge und einem Meter Dicke, kochte plötzlich und explodierte dann. Dabei bildete das
Material handdicke Fladen, die gegen die Wand flogen, um dort haftenzubleiben. Wir sind davon
überzeugt, daß dieses Unglück infolge einer falschen Aufbereitung der Berieselungssubstanz
erfolgte. Wenn Sie herausfinden können, woraus sie besteht, haben wir zum Teil gewonnen.«
»Zum Teil?« ereiferte sich Ohntorf. »Ich möchte sagen, wir haben dann alles gewonnen.«
Ich begann auf dem Tisch hin und her zu schreiten. Nun lächelte kein Terraner mehr über meine
Gestalt. Sie waren fasziniert, aufgeregt und so von der Materie gepackt, wie es auch unter meinen
Brüdern der Fall gewesen war. Mittlerweile hatten wir uns wieder beruhigt; nein – wir hatten
sogar resigniert.
»Das ist ein Irrtum, Professor«, belehrte ich ihn. »Wir hätten damit nur erreicht, ebenfalls
Rohmolkex bearbeiten zu können. Wir sind ziemlich sicher, daß beim Abernten des Molkex ebenfalls
eine Art Besprühung stattfindet. Wir wissen, daß das Molkex, sobald es erstarrt ist, nicht mehr
geerntet werden kann, zumindest nicht mit herkömmlichen Methoden. Die Blues sind jedoch in der
Lage, das Molkex problemlos von den Planetenoberflächen zu lösen und in ihren Laderäumen
unterzubringen. Das läßt darauf schließen, daß eine ständige Berieselung das Material handhabbar
macht, nachdem es abgeerntet und bis es in die Fabrikanlagen gebracht wird. Dort wird das
Besprühen solange fortgesetzt, bis das Material sich wie gewünscht verarbeiten läßt. Nach dem
Ende der Berieselung haben die Blues etwa zehn Stunden Zeit, das Molkex dort unterzubringen, wo
sie es haben wollen. Danach erstarrt es und wird selbst für die Blues unangreifbar.
Die Raumanzüge der Gataser müssen, um elastisch zu bleiben, über ein eigenes Besprühungssystem
verfügen, das das Erstarren des Molkex dauerhaft verhindert. Wahrscheinlich funktioniert es
mittels
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