Silberband 028 - Lemuria
die abgeschirmte Kommandozentrale. Das Stottern beruhigte sich allmählich, und bald wurde das
kontinuierliche Dröhnen nur noch ab und zu von krachenden Schlägen unterbrochen.
Im Frontbildschirm tauchte eine unübersehbare Masse blitzender Pünktchen auf. Es mußten
Tausende von Großkampfschiffen sein, und in weniger als zehn Sekunden würden sie nahe genug
herankommen, um das Feuer zu eröffnen.
Doch die zehn Sekunden waren noch nicht zur Hälfte verstrichen, da versank das bekannte
Universum in einem Wirbel von Dunkelheit und huschenden Lichtern.
Die CREST III befand sich im Zwischenraum.
Rhodan wischte sich mit einer geistesabwesend wirkenden Bewegung den Schweiß von der
Stirn.
»Das war hart, Perry, was?« Atlan verließ seinen Platz vor dem Hyperkom und setzte sich in den
zweiten Reservesessel neben Cart.
Perry Rhodan lächelte.
»Du solltest inzwischen an solche und ähnliche Dinge gewöhnt sein, Freund. Ein terranisches
Schiff ist nun mal kein Sanatorium.«
»Es gibt da eine ganz spezielle Art von Sanatorien«, erwiderte der Arkonide vorsichtig, »mit
denen sich die CREST durchaus vergleichen ließe.«
»Er denkt an Leute, die sich als den Kaiser von China bezeichnen!« piepste der Mausbiber Gucky
verblüfft. »Wer ist das: der Kaiser von China?«
Rhodan lachte trocken. Atlan grinste jungenhaft.
»Ich kannte einen von ihnen. Er nannte sich stolz Shih-huang-ti, der erste Kaiser. Er
vernichtete das Feudalsystem, verwandelte das lockere Staatenbündel in einen despotisch regierten
Einheitsstaat und schuf die Voraussetzungen einer neuen Kulturblüte.«
»Als wir noch hin und wieder Zeitungen mit dem Nachschub erhielten, war ich ganz gut auf dem
laufenden«, bemerkte Gucky und runzelte das Stirnfell. »Aber von einem Shih-huang-ti habe ich
niemals etwas gehört, folglich kann er kaum so großartig gewesen sein.«
»Oh …!« Atlans Grinsen vertiefte sich. »Soviel ich mich entsinne, war das bereits im
Jahre 221 vor Christi Geburt. Ich versuchte, den neuen Mann in die richtigen Bahnen zu lenken.
China schien mir damals das Land zu sein, dem ein schneller Aufstieg bevorstand. Aber der
Herrscher von Ts-in fürchtete sich plötzlich vor der eigenen Courage. Er bekämpfte die Taoisten,
verfolgte die Konfuzianer und ordnete sogar die Verbrennung der alten Literaturwerke an. Ich
flößte seinen Mandarinen einige revolutionäre Gedanken ein, mit dem Erfolg, daß der ›erste
Kaiser‹ 209 vor Christi einen etwas plötzlichen Tod starb.
Ein hochintelligenter Bauernsohn ging aus den folgenden Wirren als neuer Kaiser hervor und
begründete die Han-Dynastie. Mit diesem Herrscher konnte ich mich sehr gut verstehen. Eine
Glanzzeit der Kultur begann. Nur täuschte ich mich in der damaligen Mentalität des chinesischen
Volkes. Es strebte nach Verfeinerung der Kultur, während ich darauf hoffte, sie möchten die
Maschinentechnik entwickeln. Man kann eben die Entwicklung nur bedingt beschleunigen.«
»Demnach«, sagte Gucky ernsthaft, »sind die Leute, die sich heutzutage als ›Kaiser von China‹
bezeichnen, geistesgestört?«
»Du merkst aber auch alles, Kleiner!« spottete John Marshall.
Der Mausbiber piepste ärgerlich.
»Es fällt mir nur schwer, mich in die Lage der Menschen hineinzuversetzen. Bei meinem Volk
gibt es keine Geisteskrankheiten.«
»Jeder Vorteil hat auch seine Nachteile«, warf Rhodan ein. »Ein kompliziertes Gehirn ist eben
leider anfälliger als ein …«
»… etwas beschränktes!« ergänzte Cart Rudo, ohne sich umzudrehen.
Gucky stieß einen empörten Schrei aus – und verschwand.
»Komisch«, bemerkte Marshall, »er ist gar nicht wirklich beleidigt.«
Rhodan lachte.
»Rudos Bemerkung war genau richtig. Der kleine Kerl hatte nämlich nichts weiter im Sinn als
uns aufzuziehen. Selbstverständlich kennt er die Geschichte der alten irdischen Kulturen, und er
weiß auch genau, daß es auf Terra Nervenheilanstalten gibt …«
Atlan schluckte.
»Na warte!« brummte er verärgert.
Perry Rhodan lenkte das Gespräch auf die Erfordernisse des Augenblicks.
»Oberst Rudo«, befahl er, »Sie werden in zehn Minuten in den Normalraum zurückkehren. Ich gehe
inzwischen zur Funkzentrale und lasse den Funkspruch nach Kahalo vorbereiten.«
»Die Lebenden rufen die Toten. Wir grüßen euch aus der Zukunft!« Wieder und wieder jagte der
Funkspruch aus den Antennen des Schiffshyperkoms.
Zur gleichen Zeit auf Kahalo:
Tronar und Rakal Woolver
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