Silberband 029 - Der Zeitagent
Forschungsgruppenleiter wandern. Die blitzenden
Augen in den breitflächigen Gesichtern verriet ihm: Sie hatten verstanden. Es bedurfte keiner
zusätzlichen Erklärung mehr. Der Anfang war gemacht. Von nun an war es nur noch eine Frage der
Zeit, wann der Augenblick der Rache kam.
Trolok wußte, diesen Tag würde er nicht mehr erleben. Aber er hatte heute eine
Schranke durchbrochen, die bislang als unüberwindlich galt: Pflanzen, die sich selbst
reproduzierten, die Funktion von Maschinen zu geben.
Zum erstenmal seit vielen Jahren lächelte Trolok, als der Schluß der alten
Formel verklang:
»… Alles ist veränderlich …!«
Wie immer sickerten die Erinnerungen nur zaghaft tröpfelnd in sein Bewußtsein. Aus
der traumlosen Schwärze des therapeutischen Tiefschlafs stiegen die ersten lichterfüllten
Konturen empor: Gesichter von Freunden, Vorgesetzten und Untergebenen – und das Gesicht von
Yezo, seiner Frau und der Präsidentin des Planeten Oxtorne …
Der seelische Schmerz beschleunigte den Vorgang des Erwachens.
Wie lange waren sie nun schon getrennt – Yezo und er …? Getrennt
durch Zeit und Raum und …
Oberleutnant Omar Hawk schlug die Augen auf. Durch die transparente Hülle des Atemhelms
blickte er auf die gallertartige, fleischfarbene Masse, die ihn umhüllte. Allmählich wich das
Gefühl der Taubheit aus den Gliedern.
Omar entsann sich wieder, warum er hier lag, in einem Bioplasmatank der Bordklinik. Vor fast
zwei Monaten hatte man ihn zum erstenmal in den Tank gelegt, nachdem Sherlock ihn aus einem
brennenden Raum der CREST III barg. Das war kurz vor der Berührung mit dem Nullfeld von Vario
gewesen. Damals hatte er in einem Nebenraum der Maschinenhalle einige Energieaggregate
inspiziert. Dann war die CREST von Vario aus angegriffen worden. Mächtige Fesselfelder hatten das
Schiff eingefangen und es in Richtung des Planeten gezerrt. Es ließ sich später nicht mehr genau
rekonstruieren, was dort, wo sich Hawk befand, tatsächlich geschehen war und welche Kräfte
urplötzlich wirksam wurden. Aber genau zu diesem Zeitpunkt explodierten alle Energieerzeuger
dieses Raumes. Durch die Gewalten der Explosion und der daraus resultierenden Hitzeentwicklung,
die in Sekundenbruchteilen den ganzen Raum in Brand setzte, hatte Hawk keine Chance besessen,
sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Er verlor das Bewußtsein, und hätte sein zahmer Okrill
ihn nur eine Sekunde später aufgespürt, wäre er trotz seiner widerstandsfähigen Konstitution
verbrannt.
Die Mediziner der Bordklinik stellten Verbrennungen dritten Grades auf zwei Drittel der
Körperoberfläche fest. Der Organismus eines Terraners hätte allein durch die resultierende
Schockwirkung versagt und wäre durch die beste Behandlungsmethode nicht mehr zu retten gewesen.
Hawks Herz jedoch schlug lediglich ein wenig schneller. Dennoch wäre er gestorben, hätte man ihn
nicht sofort in einen Bioplasmatank eingebettet und den Geist in Tiefschlaf versetzt, während der
Körper die verbrannte Haut neu bildete und das im Blut kreisende Stoffwechselgift besiegte.
Nach knapp einem Monat war Omar Hawk zum erstenmal wieder geweckt worden. Danach dauerte es
nochmals elf Tage, bis er den Plasmatank verlassen durfte. Er fühlte sich völlig gesund, aber die
Ärzte waren anderer Meinung. Sie verschrieben ihm anfangs drei Plasmabäder täglich von je zwei
Stunden Dauer sowie behutsame Bestrahlungen. Nach und nach verringerten sich Anzahl und Dauer der
Nachbehandlungen.
Und heute sollte die abschließende Untersuchung stattfinden.
Omar grinste ironisch, als über ihm das ewig mißmutige Gesicht von Dr. Ralph Artur auftauchte,
der Chefmediziner der CREST III. Dr. Artur war ein medizinisches Genie, sowohl in praktischer als
auch in theoretischer Hinsicht. Seine dürre Gestalt, die sommersprossige Glatze und das mürrisch
gefaltete Gesicht konnten nur nicht Eingeweihte über das hervorragende Können dieses Terraners
täuschen.
Hinter dem Chefmediziner tauchten einige andere Ärzte auf. Dr. Artur machte eine heftige
Handbewegung. Gleichzeitig mit dem Summen des Elektromotors erklang das Schmatzen einer Pumpe und
das Gurgeln und Seufzen abgesaugter Gallertmassen.
Innerhalb weniger Minuten leerte sich der Plasmatank. Dann sprühten dünne Wasserstrahlen aus
den Wanddüsen, spülten die Reste des schleimig anhaftenden Bioplasmas von Hawks Körper und Helm,
während ein Antigravfeld ihn in der Schwebe hielt.
Ein
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